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Afrikazentrum

Funde aus ägyptischen Tempeln: Über Tradition, Wirtschaft und Identitätsfindung in einem multikulturellen Kontext

Die Ägyptologie beschäftigt sich mit der gesamten Bandbreite der materiellen und geistigen Hinterlassenschaften, die uns von den Alten Ägyptern erhalten sind. Unter den altertumswissenschaftlichen Fächern verbindet sie auf einzigartige Weise die philologische und die archäologische Erforschung einer uralten Kultur. Der Lehrstuhl für Ägyptologie der Universität Würzburg beschäftigt sich in zwei Forschungsprojekten mit ägyptischen Tempeln.

Eintauchen in das Innerste eines ägyptischen Tempels: Sanktuar und Mesenit des Horus-Tempels von Edfu

Bei Sanktuar und Mesenit handelt es sich um zwei Räume, die den innersten Kern des Horus-Tempels von Edfu bilden. Die Funktion und Konzeption der symbolischen Räume wurden bisher allerdings nicht ausreichend systematisch analysiert. Das aktuell laufende Projekt an der Würzburger Ägyptologie umfasst daher eine ausführliche und vergleichende Untersuchung des Horus-Tempels von Edfu (Oberägypten, 237-57 v. Chr.), insbesondere seiner Wandreliefs. Letztere gewähren durch ihre Ausführlichkeit spannende Einblicke in die damals durchgeführten Rituale, das Inventar des Tempels, aber auch in die (über)regionale Kulttopographie, Mythologie, Ikonographie und in theologische Konzepte der damaligen Zeit.

Durch Einbezug aktueller Forschung soll durch das sechsjährige, in zwei Phasen gegliederte Projekt eine Grundlage für zukünftige Studien des gesamten Heiligtums, seiner Theologie und seines Kultbetriebs geschaffen werden. Die erschlossenen Reliefs werden durch Fotografien und Zeichnungen dokumentiert, analysiert und kontextualisiert und sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Der Tempel von Dime: Was uns Schriften über ägyptische Identität im römerzeitlichen Ägypten verraten

Der Tempel von Soknopaios in Dime um einen Tempel in der ägyptischen Wüste, der erst 250 n. Chr. durch Verlandung, Versalzung des Wassers und Desertifikation aufgegeben wurde. Er ist das Zentrum der Ortschaft Dime am Nordrand der Fayumoase in Ägypten. Besonders bekannt ist der Tempel in der Ägyptologie weniger für seine Reliefs als vielmehr für seine gut erhaltenen Papyrusfunde. Diese erlauben einen Einblick in das Wirtschaftsgefüge eines ägyptischen Tempels in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten, die geprägt waren durch die Religion und die Theologie des Heiligtums zu Zeiten der Römer.

Im Rahmen des ebenfalls sechsjährigen Projekts werden Informationen über die täglichen Rituale und die Mythologie der Ägypter dieser Zeit gesammelt und in Verbindung mit dem Kult sowie der Geschichte und Chronologie des Tempels gebracht. Die Vernetzung der Teilergebnisse und die Edition unpublizierter Quellen geben Auskunft über die ägyptische Identität, v.a. in Zeiten römischer Herrschaft.

Die Römer als Verantwortliche für den Niedergang der Tempel in Ägypten? DimeData revidiert veraltete Sichtweisen

Entgegen der in vergangener Forschung angenommenen Sichtweise, die Römer seien am Untergang ägyptischer Tempel schuld, wird heute die Auffassung vertreten, dass Rom in Ägypten sogar für eine wirtschaftliche Stimulation gesorgt habe. Daher ist es naheliegend, den Tempel von Dime aufgrund der bereits erwähnten Prägung im römerzeitlichen Ägypten für aktuelle Untersuchungen heranzuziehen.

Bei der Online-Editionsplattform DimeData handelt es sich um eine ökonomische Fallstudie in Form eines Corpus, die die Abrechnungstexte des römerzeitlichen Tempels von Dime zur Analyse des damaligen Wirtschaftslebens heranzieht. Dabei werden 40 der rund 800 gut erhaltenen unpublizierten Exemplare für das Projekt herangezogen und neu editiert. Das Projekt verfolgt das Ziel, unser Wissen um das Wirtschaftsleben ägyptischer Tempel in der römischen Kaiserzeit auf eine neue Basis zu stellen.

Kontakt & Links

Prof. Dr. Martin Andreas Stadler ist Inhaber des Lehrstuhls für Ägyptologie an der Universität Würzburg.

Zu den Forschungsprojekten

Zur Website von Prof. Dr. Martin Andreas Stadler