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Afrikazentrum

Afrika und Indien: Wiedererstarken einer jahrtausendealten Partnerschaft

Afrika und Indien haben eine jahrtausendealte gemeinsame Geschichte, die bis heute Ausdruck findet in der großen indischen Diaspora im östlichen und südlichen Afrika. Doch erst langsam erfahren diese Süd-Süd-Beziehungen auch im Westen eine größere Aufmerksamkeit. Der Grund: In den vergangenen zwanzig bis dreißig Jahren hat sich das Handelsvolumen zwischen Afrika und Indien vervielfacht. Heute ist Indien nach China der größte Handelspartner des Kontinents. Und Premierminister Narendra Modi arbeitet weiter an der Vertiefung der Beziehungen.

In seinem Dissertationsprojekt untersuchte Philipp Gieg vom Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Würzburg, wie sich die indisch-afrikanischen Beziehungen seit der wirtschaftlichen Liberalisierung in Indien Anfang der 1990er Jahre verändert haben. Während in der Frühgeschichte bereits vor über 2000 Jahren Händler den Indischen Ozean überquerten, brachte die Ankunft des Kolonialismus Ausbeutung und Unterwerfung für beide Regionen. Mahatma Gandhi, der viele Jahre in Südafrika lebte, wurde zur Personifizierung der indisch-afrikanischen Beziehungen, und die indische Unabhängigkeit wurde zu einem Vorbild für die afrikanischen Befreiungsbewegungen. Jawaharlal Nehru, Indiens erster Premierminister, unterstützte die Entkolonialisierung und den Kampf gegen die Apartheid von Anfang an. In den Vereinten Nationen und über die Bewegung der Blockfreien Staaten positionierte er Indien nachdrücklich als Vorkämpfer für die Entwicklungsländer. Indien erarbeitete sich in vielen Staaten Afrikas enormes Ansehen und einen hohen Vertrauensvorschuss – kurz: Soft Power.

Zweitgrößter Handelspartner, wichtiger Investor und Kreditgeber

In diesen Jahren waren die Beziehungen jedoch vor allem politisch geprägt. Ein (Wieder-) Erstarken der ökonomischen Kontakte setzte erst mit der wirtschaftlichen Liberalisierung in Indien Anfang der 1990er Jahre ein. Sie hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Außenhandels- und Investitionspolitik und damit auch auf die Wirtschaftspolitik Indiens gegenüber Afrika. Heute ist Indien der zweitwichtigste Handelspartner des Kontinents; das Land gewährt afrikanischen Staaten regelmäßig Kreditlinien in Milliardenhöhe, und seine Pharmafirmen beherrschen viele afrikanische Märkte. Umgekehrt ist der Kontinent für die indische Wirtschaft immer wichtiger geworden, nicht nur wegen der Abhängigkeit von afrikanischen Rohstoffen (fast ein Fünftel der indischen Erdölimporte und mehr als ein Viertel der Erdgasimporte kommen vom Kontinent), sondern auch wegen des aufblühenden afrikanischen Absatzmarktes.

Ausbau des diplomatischen und sicherheitspolitischen Engagements

Doch die Beziehungen zwischen Indien und Afrika sind jedoch bei weitem nicht auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit beschränkt. Auch wenn häufig – wie auch im Falle der afrikanisch-chinesischen Beziehungen – der steigende bilaterale Handel und die Investitionen im Mittelpunkt stehen, spiegelt dieser Fokus den Umfang des indischen Engagements nur unzureichend wider. Denn parallel zum rasanten Aufbau der Wirtschaftsbeziehungen hat Indien seine politisch-diplomatischen Beziehungen zu afrikanischen Staaten und zur Afrikanischen Union vertieft – auf der Grundlage des "politischen Kapitals", das es sich in den Jahrzehnten zuvor angespart hatte. In den vergangenen Jahren wurden etwa bereits mehr als zehn neue Botschaften auf dem Kontinent eröffnet.

Und auch sicherheitspolitisch spielen die afrikanischen Anrainer- und Inselstaaten des Indischen Ozeans eine immer größere Rolle für Neu-Delhi: Der westliche Indische Ozean ist primäres Interessengebiet für Indien, das die Ambition hegt, für die Staaten der Region zu einem Security Provider aufzusteigen – auch um dem immer aggressiveren Auftreten Chinas entgegenzuwirken. Nicht zuletzt deswegen setzt Premierminister Narendra Modi auf einen Ausbau der Marine; die beiden indischen Flugzeugträger und andere Kriegsschiffe kreuzen regelmäßig im westlichen Indischen Ozean.

Heikler Balanceakt

Philipp Gieg resümiert in seiner Studie, dass sich die jahrtausendealte Partnerschaft stark verändert hat – vor allem wegen des tiefgreifenden Wandels der indischen Afrikapolitik in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten, die von Ökonomisierung und später den "Modi-fikationen" durch den aktuellen indischen Premierminister geprägt ist. Doch dies stellt Neu-Delhi vor enorme Herausforderungen, auf die Indiens Afrikapolitik zufriedenstellende Antworten wird finden müssen.

Kann sich die "Emerging Power" Indien, die mittlerweile zu den größten Volkswirtschaften der Welt gehört, immer noch als Vorkämpfer für den Globalen Süden gelten? Kann sich ein Land, das der zweitgrößte Handelspartner des gesamten afrikanischen Kontinents ist, noch überzeugend als Entwicklungsland darstellen, das mit den Ländern Afrikas auf Augenhöhe agiert? Die Aufgabe für Neu-Delhi besteht darin, den schmalen Grat zwischen dem Gewinn an wirtschaftlichem Gewicht und politischem Einfluss auf der einen Seite und der Gefährdung der Grundlagen dieser Entwicklung durch den Verlust von Soft Power auf der anderen Seite zu beschreiten. 

Das Buch "India's Africa Policy – Challenges of a Millennia-Old Relationship" von Philipp Gieg ist im Sommer 2023 bei Palgrave Macmillan erschienen. 

Kontakt & Links

Dr. Philipp Gieg ist Postdoc am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Würzburg und forscht vor allem zu den internationalen Beziehungen Afrikas (insbesondere chinesische, indische, britische, EU- und US-Afrikapolitik), zu Indiens Außen- und Sicherheitspolitik sowie zu Süd-Süd-Kooperation, globalen Normen und EU-Außenbeziehungen.

Zum Buch "India's Africa Policy"

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