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  • Türkisfarbener Header mit dem Titel der Reihe: un-sICHtbar
Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz

Themenwochen: unsICHtbar - auf der Suche nach Identität zwischen Zugehörigkeit und Differenz

Identität erscheint auf den ersten Blick als Begriff der Auseinandersetzung etwas angestaubt. Überholt sind Vorstellungen einer festen und klar abgegrenzten Identität, die sich kontinuierlich durch das eigene Leben zieht. Ebenso beweglich, fragil und fraktal zeigt sich der Kulturbegriff, welcher sich in der modernen Auslegung vehement weigert, einer bestimmten Kultur bestimmte, wohldefinierte Eigenschaften zuzuschreiben (die es für die interkulturelle Verständigung dann vermeintlich nur zu erlernen bräuchte). Im Gegenteil: Die Grenzen sind „fuzzy“ (Bolten), unscharf. Alles scheint im Fluss.

Zugleich gibt es eine Wiederbelebung von Identität. Sie spiegelt sich beispielsweise in der steten Ausdifferenzierung von Identitätskategorien (wie z.B. LGBTQIA+), der Ab- und Ausgrenzung von Menschen mit bestimmter kultureller Zugehörigkeit durch rechte Akteur*innen, der Inanspruchnahme des Begriffs der Identitätspolitik oder auch sozialmedialen Bewegungen wie den Tradwives, welche die Rückkehr zu traditionellen – geordneten – Rollenmustern zelebrieren, wider. Das vormals Angestaubte scheint wieder im Trend zu sein.

In diesen Momenten zeigt sich ein Bedürfnis nach Ordnung sowie der Wunsch, diese fuzzy Identitäten und Kulturen doch greifbar zu machen. Damit einher geht das Risiko der Essentialisierung und Abgrenzung – im extremen Fall so sehr, dass die neu gezogenen Grenzen einen Dialog über Differenzen hinweg verhindern.

Wir laden alle Studierenden und Interessierte Wissenschaftler*innen sowie Gäste ein, sich mit diesem Spannungsfeld auseinanderzusetzen. Drei Vorträge und ein Workshop regen in unseren Themenwochen zu Reflexion und kritischen Auseinandersetzung mit Identität - zwischen Zugehörigkeit und Differenz - ein!

 

Gruppe macht glücklich. Soziale Identität als Resilienzfaktor

Vortrag von Prof. Dr. Rolf van Dick
(Goethe Universität Frankfurt)

20.11.2025 um 18 Uhr Raum 00.107 am Wittelsbacherplatz

Anrechenbar für GSiK für die Zusatzqualifikation "Interkulturelle Kompetenz" in den Bereichen A und B.

Darum geht's

Anhaltender Stress kann Krankheiten auslösen, die zu verminderter Zufriedenheit, Leistung und Fehlzeiten führen, was u.a. geringere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen zur Folge hat. Für die Analyse von arbeitsbezogenem Stress dient häufig das Transaktionale Stressmodell von Lazarus. In der aktuellen Forschung aus Sicht des Social Identity Approach wird Lazarus’ Modell um die Komponente der sozialen Identität erweitert. Die beiden Bewertungsdimensionen (primary appraisal: „Ist die Situation belastend für mich?“; secondary appraisal: „Kann ich mit der Belastung umgehen?“) werden dann differenziert in Situationen, in denen die personale Identität aktiviert ist, und solche, in denen die soziale Identität salient ist. Ist Letzteres der Fall, verschiebt sich die Frage nach dem primary und secondary appraisal in Richtung auf eine kollektive Beantwortung, d.h. die Person fragt sich, ob die Situation für die Gruppe belastend ist und ob man sie als Gruppe bewältigen kann. Im Vortrag werden zunächst die Grundlagen des Social Identity Approach und die Implikationen für das Stressmodell vorgestellt. Anschließend werden eine Reihe von Feld- und Laborstudien sowie eine Meta-analyse dargestellt, die zeigen, dass soziale Identität in der Tat zu einem besseren Umgang mit Stress und mehr Gesundheit führen kann.

Vortrag "Imaginationen kollektiver Identität und Differenz"

Vortrag von Prof. Dr. Heike Delitz (Universität Regensburg)

26.11.2025 um 18:15 Uhr Raum 00.107 am Wittelsbacherplatz

Anrechenbar für GSiK für die Zusatzqualifikation "Interkulturelle Kompetenz" in den Bereichen A und B.

Darum geht's

Der Vortrag bietet eine sozialwissenschaftliche Antwort auf die Frage an, was kollektive Identitäten sind: nämlich zum einen kontrafaktische Vorstellungen, Sehnsüchte, Begehren, Imaginationen einer Einheit der Mitglieder eines Kollektivs, ihrer Identität untereinander – gegenüber all denen, die nicht dazugehören, den ‚Anderen‘; und zum anderen Imaginationen eines Sich-Identisch-Bleibens des Kollektivs über die Zeit oder über die Generationen hinweg, wobei diese Identität in der Zeit auf einen ‚Identitätsgrund‘ zurückgeht – ein Gründungsereignis, eine absolute Verpflichtung, eine in der ‚Natur‘ verankerte Gemeinsamkeit.

Identität und Differenz, Identität in der Zeit, ein vorgestellter Grund: Von diesen Dimensionen ausgehend wird der Vortrag den Blick einerseits global ausweiten. Sichtbar werden konträre Modi der Vorstellungen kollektiver Identität, im Blick auf außereuropäische Kollektive und auf aktuelle Beiträge der Kultur- und Sozialanthropologie. Andererseits geht es um jene Imaginationen kollektiver Identität, welche die gegenwärtigen politischen Diskussionen in den demokratischen Gesellschaften (hierzulande wie auch anderswo) befeuern und kennzeichnen.

Identität und Diversität. Zwei problematische Begriffe in Differenzierungsprozessen

Vortrag von Prof. Dr. Stefan Hirschauer (Universität Mainz)

2.12.2025 um 18 Uhr Raum 00.107 am Wittelsbacherplatz

Anrechenbar für GSiK für die Zusatzqualifikation "Interkulturelle Kompetenz" in den Bereichen A, B und D.

Darum geht's

Die laufende Unterscheidung von Geschlechtern, Ethnien, Nationalitäten, Altersgruppen, Konfessionen, sexuellen Orientierungen usw. sind Prozesse der Humandifferenzierung. Sie werden kognitiv, sprachlich, praktisch, räumlich und mit vielen Formen von Ungleichheit vollzogen. Der Begriff der Diversität unterstellt fälschlich, dass diese Unterscheidungen als gegebene Unterschiede vorliegen, essenzialisiert sie also. Der Begriff der Identität schließt an tatsächliche Verhärtungen von Selbstverständnissen an, verallgemeinert sie aber zu einer fragwürdigen anthropologischen Konstante. Unterscheidungen zwischen Menschen sollten als das untersucht werden, was sie sind: kontingente, reversible Prozesse.

Identität(en). Über Zugehörigkeit und Ausgrenzungserfahrungen in der postmigrantischen Gesellschaft

Workshop von Saliha Ünver, Nicolas Meyer und Elena Enzmann von ufuq Würzburg

11.12.2025 von 17 bis 21 Uhr Raum 00.107 am WIttelsbacherplatz

Die Teilnahmezahl ist auf 20 Personen begrenzt. Anmeldung via WueStudy erforderlich.

Anrechenbar für GSiK für die Zusatzqualifikation "Interkulturelle Kompetenz" in den Bereichen A und B.

Darum geht's

Identität, Zugehörigkeit und Anerkennung sind Themen, die im Jugendalter besonders relevant sind. Dabei steht die Frage danach, wer man ist und sein will immer im Spannungsverhältnis zur Außenwahrnehmung. Jugendliche of Colour sind davon in besonderer Weise betroffen, wenn ihre Zugehörigkeit in Schlagzeilen und Berichten angezweifelt wird. In den Workshops an Schulen reflektieren Schüler:innen ihre eigene Identität vor dem Hintergrund von Eigen- und Fremdwahrnehmung.

Das Modul Identität(en) im Rahmen der GSiK-Thementage nimmt die Teilnehmenden mit in die praktische Workshoparbeit von ufuq.de an Schulen und in Jugendeinrichtungen. Neben der Reflexion der eigenen Haltung und möglicher Betroffenheiten wird ein Raum für Perspektivwechsel und Austausch geschaffen, in dem es kein RICHTIG oder FALSCH gibt. Darüber hinaus gibt der Workshop Einblicke in die Methodik und Ziele, die den Wie-wollen-wir-leben-Workshops mit Schüler:innen zugrunde liegen und berichtet darüber, welche Herangehensweisen sich in mittlerweile 7 Projektjahren am Standort Würzburg bewährt haben.