Portrait mit Experte für Wirtschafts- und Finanzbildung Sven Schumann
06.11.2025Was arbeiten Absolventinnen und Absolventen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU)? Um den Studierenden verschiedene Perspektiven vorzustellen, befragen Michaela Thiel und ihr Team vom zentralen Alumni-Netzwerk „Uni Würzburg Community“ regelmäßig ausgewählte Ehemalige.
Sven Schumann hat an der JMU Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Industriebetriebslehre, Logistik und Wirtschaftsinformatik studiert. Heute arbeitet er als Kommunikator bei der Deutsche Börse Group in Frankfurt am Main. Er ist Experte für Wirtschafts- und Finanzbildung und befasst er sich mit den Rahmenbedingungen für Vermögensaufbau und Altersvorsorge am Kapitalmarkt. Er ist er Mitglied des Vorstands des Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland, das sich für die hinreichende und verpflichtende Verankerung ökonomischer Bildung in allen weiterführenden Schulen in Deutschland und eine bessere fachbezogene Qualifikation der Lehrkräfte einsetzt. Außerdem liefert er mit seinem monatlichen Podcast „Börsenplatz“ spannende Einblicke in die Themenvielfalt der Finanzwelt – mit spannenden Gästen wie der Hessischen Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus oder dem Börsenreporter Frank Bethmann.
Herr Schumann, wie würden Sie einem Laien einen typischen Berufsalltag beschreiben?
Einen „typischen“ Arbeitstag gibt es bei mir nicht, und genau das macht es so spannend. Im Kern treiben mich vor allem zwei große Themen an: Wie können wir die Wirtschafts- und Finanzbildung in der Gesellschaft verbessern und unser Rentensystem fit für die Zukunft machen? Das sind Fragen von großer gesellschaftlicher Relevanz, die ich für die Deutsche Börse Group im Austausch mit verschiedensten Stakeholdern voranbringe.
Was lieben Sie besonders an Ihrem Beruf?
Besonders gerne mag ich meine Rolle als Brückenbauer. Ich habe das Privileg, komplexe Themen aus der Finanzwelt für Politik und Gesellschaft verständlich zu machen und umgekehrt die gesellschaftlichen Bedürfnisse zurück ins Unternehmen zu tragen. Diese Position erlaubt es mir, Netzwerke zu knüpfen, Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven kennenzulernen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Es ist dieser ständige Austausch, das Ringen um den besten Weg und die Überzeugung, dass gute Kommunikation der Schlüssel für Fortschritt und Veränderung ist, was mich jeden Tag aufs Neue motiviert.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen beim Thema Altersvorsorge?
Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht eine strukturelle: Unsere umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung gerät durch den demografischen Wandel immer stärker unter Druck, während gleichzeitig – anders als in vielen europäischen Nachbarländern – die betriebliche und die private Säule des Altersvorsorgesystems nur schwach ausgeprägt sind. Dieses Dilemma wird durch eine traditionell geringe Beteiligung am Kapitalmarkt noch verstärkt. Die Ursache dafür liegt vor allem in erheblichen Wissenslücken in der Bevölkerung. Wenn Menschen die grundlegenden Zusammenhänge von Rendite und Risiko nicht verstehen, können sie die Chancen des Kapitalmarkts für ihre eigene Altersvorsorge kaum nutzen. Genau hier liegt der entscheidende Hebel: Um diese Lücken zu schließen, brauchen wir eine Nationale Finanzbildungsstrategie, wie sie auch die OECD vorschlägt, um entsprechende Kompetenzen zu stärken.
Was wäre Ihre Idealvorstellung der Verankerung von Wirtschafts- und Finanzbildung in den Schulen?
Meine Idealvorstellung ist, dass Ökonomische Bildung nicht mehr vom Zufall abhängt, sondern ein selbstverständlicher und verpflichtender Teil der Schulbildung ist. Eine solche Verankerung kann aber nur gelingen, wenn wir gleichzeitig die fundierte Qualifikation der Lehrkräfte sicherstellen. Ökonomische Bildung darf nicht fachfremd unterrichtet werden, sondern erfordert sowohl fachwissenschaftlich als auch fachdidaktisch ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Letztlich geht es darum, die Schule zu einem Ort zu machen, an dem Wirtschafts- und Finanzbildung chancengerecht vermittelt wird. Denn hier wird das Fundament gelegt, damit alle jungen Menschen – unabhängig vom Elternhaus – die Fähigkeit erlangen, selbstbewusst und informiert finanzielle Entscheidungen zu treffen.
Was würden Sie Studierenden raten, die einen ähnlichen Berufsweg einschlagen möchten?
Versteift euch nicht auf einen lückenlosen Lebenslauf. Karrieren verlaufen selten linear. Die wichtigste Fähigkeit, die ich nach dem Studium gelernt habe, war, auf das Ungeplante zu reagieren und Chancen zu ergreifen, die sich spontan ergeben haben. Mein eigener Weg zu meiner heutigen Position bei der Deutsche Börse Group war keine gerade Linie, sondern eine Folge solcher Opportunitäten. Seid also vorbereitet, auf das was ihr in eurem beruflichen Leben erreichen möchtet, neugierig und mutig genug, „Ja“ zu sagen, wenn sich eine spannende Tür öffnet. Das sind die Momente, die eine Karriere definieren. Wenn meist auch erst retroperspektivisch.
Was ist Ihre liebste Studienerinnerung?
Da gibt es viele – Würzburg ist ein toller Ort zum Studieren, ganz besonders im Sommer, wenn der Weinfestkalender gut gefüllt ist. Im Studium habe ich meine Frau kennengelernt und wir kommen heute immer noch sehr gerne in die Stadt. Dass unser ältester Sohn nun selbst an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät studiert, macht die Verbindung zu Würzburg noch besonderer. Es ist schön zu sehen, wie sich ein Kreis schließt – und wir haben jetzt einen weiteren wunderbaren Grund, regelmäßig zurückzukehren.
