Geschichte

Wenn die entscheidende Nachricht unter den Tisch fällt
Geschichte zum Anfassen durch Konfliktsimulationen mit Aha-Erlebnis

Eine übergroße Karte Südenglands liegt auf dem Tisch. Kleine Figuren sind darauf platziert, Fähnchen zeigen die Position der verbündeten und feindlichen Truppen, mit Winkelmaß und Zollstock werden neue Strategien geplant. Was nach einem historischen Generalstab klingt, findet gerade im Seminarraum des Lehrstuhls für Alte Geschichte im Südflügel der Würzburger Residenz statt. Und statt hochdekorierter Offiziere planen gerade Studierende ihre militärische Mission: Unter Leitung von Dr. Jorit Wintjes kommt es gleich zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Frankreich und England.


Die gleiche Szene wurde in einem anderen Trakt der Residenz aufgebaut. Hinzu kommen zwei „Generalstäbe“, die sich wiederum woanders befinden. Insgesamt 20 Studierende verteilen sich auf die beiden Kartenräume und Stäbe, wobei jede Person eine feste Aufgabe hat. Während die „Franzosen“, die Dover halten, auch Canterbury einnehmen müssen, sollen die „Engländer“ ihre Stellungen halten und zurückschlagen.


Zwischen den vier Räumen laufen neutrale Boten hin und her und verteilen Nachrichten auf Meldezetteln. Überall ist laute, nervige Musik zu hören. Und immer wieder greift Wintjes in das Spiel ein und verteilt Informationen, die zur Verwirrung beitragen sollen: „Diverse Störfaktoren, wie zum Beispiel Musik und Zeitdruck haben wir eingebaut, um Hektik und Stress zu erhöhen – die ganze Simulation ist darauf ausgelegt, dass Fehler passieren.“


Kommunikation unter Stress erleben

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein aufwendiges Freizeitspiel, ist Teil des Kurses „Konfliktsimulation“ – ein Gemeinschaftsprojekt des Lehrstuhls für Alte Geschichte und des Fachs Digital Humanities. Dabei lernen Studierende unter anderem, dass Teamarbeit in Stresssituationen sehr fehleranfällig sein kann und einem dabei auch Irrtümer unterlaufen, die unter normalen Bedingungen undenkbar erscheinen.

Planspiele machen Geschichte hautnah erlebbar.

Ursachen können zum Beispiel nicht lesbare Handschriften, verloren gegangene oder vergessene Nachrichten, zu detaillierte oder zu allgemeine Berichte sowie eine falsche Einschätzung des Geländes sein. „Bei der Simulation erfahren die Studierenden, wie bedeutend Informationssicherheit und Kommunikation auf Entscheidungsebenen sind und wie wichtig es ist, strukturiert zu arbeiten“, sagt Wintjes und hebt damit die Bedeutung dieses Kurses für das Studium, für den Berufsalltag sowie weitere Lebensbereiche hervor. Er vergleicht die Simulation auch mit der Praxis: „Wenn ein Fluss über die Ufer tritt und Dörfer und ihre Einwohner geschützt werden müssen, entstehen für Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks ähnliche Stresssituationen und damit verbundene Herausforderungen an die Kommunikation.“


Interaktion statt Frontalunterricht

Mit dem Kurs „Konfliktsimulation“ geht der Lehrstuhl für Alte Geschichte neue Wege: Der klassische Frontalunterricht wurde ergänzt durch einen „partizipatorischen Zugang“, wie Wintjes erklärt. „Man kann vieles durch Lesen lernen, aber der Lerneffekt ist größer, wenn man zusätzlich etwas selbst macht. Das ist zwar aufwändiger als nur ein Buch durchzulesen. Aber diese Form der Wissensvermittlung kommt bei den Studierenden gut an und sie sind auch bereit, mehr zu arbeiten.“ Damit lohne sich auch der Mehraufwand für das Lehrpersonal. Über den Kurs hinaus sind im Studium der Geschichte an der Uni Würzburg auch künftig interessante Seminare zu erwarten, wie Wintjes betont. So sollen auch Gerichtsverhandlungen nachgestellt werden wie beispielsweise Prozesse aus der Antike, um den Studierenden Geschichte lebensnah begreifbar zu machen. „Das Institut für Geschichte ist bemüht, sowohl den Studierenden als auch den Dozenten möglichst viele der Freiheiten, die ein geisteswissenschaftliches Studium immer geboten hat, auch in das modularisierte Studium hinüber zu heben. Wir denken, dass uns das gelungen ist und das positive Feedback von Studierenden bestärkt uns in dieser Ansicht.“

Text: Dr. Bernhard Rauh; Fotos: Daniel Peter

Geschichte

Geschichte kann an der Uni Würzburg als Lehramts- sowie Bachelor- und Masterstudium absolviert werden. Das Spektrum reicht von Alter Geschichte über das Mittelalter bis hin zu Neuester Geschichte. Auch ein großes Praxismodul ist im Studium dabei. Mehr Infos gibt es H I E R