Forschung

Borkenkäfer: Forscher schlagen Alarm
Über den Lebenszyklus des Insekts ist nur wenig bekannt

Drei Schlagzeilen deutscher Medien, ein Thema: „Wettlauf mit dem Tod: Die Invasion der Borkenkäfer“ – „Borkenkäfer-Population nimmt in diesem Jahr extreme Ausmaße an“ – „Borkenkäfer: Experte befürchtet ‚Anfang vom Ende der Fichte‘“. Die explosive Zunahme der Borkenkäfer und die verheerenden Auswirkungen auf die Wirtschaftswälder ging durch die Medien. Dabei ist der Befund nicht auf Deutschland begrenzt. Ein vergleichbares Bild zeigt sich in vielen Wäldern überall in Mitteleuropa und Nordamerika. Die Folgen dieser „Invasion“ sind gewaltig. Allein in Mitteleuropa waren die Käfer im Jahr 2018 für gut 40 Millionen Kubikmeter Schadholz verantwortlich.


Massenausbrüche von Borkenkäfern dauern meist einige Monate bis Jahre an, anschließend gehen die Popula­tionen wieder deutlich zurück. Woran das liegt, ist kaum erforscht. Im Forschungsmagazin „Trends in Ecology and Evolution“ haben Wissenschaftler daher vermehrte Forschungsaktivitäten zum Lebenszyklus der Käfer gefordert. „Wir versuchen mit vielen aufwändigen Maßnahmen, unsere Wälder vor Borkenkäfern zu schützen. Doch was die starken Populationsschwankungen bei den Borkenkäfern eigentlich auslöst, darüber wissen wir sehr wenig“, sagt Dr. Peter Biedermann vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Uni Würzburg.


Gemeinsam mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie Jena und vom Nationalpark Bayerischer Wald fordert er: „Es ist dringend notwendig, dass wir die wissenschaftliche Basis schaffen, damit Forstwirtschaft und Politik künftig effizienter auf Ausbrüche von Borkenkäfern reagieren können.“ Die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen könnten auch als Blaupause für die Bekämpfung anderer schädlicher Waldinsekten dienen. Die wichtigste zu klärende Frage sei dabei, ob es ein praxis­tauglicher Ansatz im Management von Natur- oder sogar Wirtschaftswäldern sein kann, bei Massenvermehrungen von Insekten einfach gar nicht einzugreifen. Im Nationalpark Bayerischer Wald hätten die Wissenschaftler beobachtet, dass Borkenkäferpopulationen auch ohne Bekämpfung nach einigen Jahren zusammenbrechen.


Der Klimawandel verschärft das Problem

Ein vertieftes Wissen über den Lebenszyklus vor allem des Fichtenborkenkäfers sei auch angesichts des Klimawandels dringend nötig: „Die zu erwartende Verstärkung von Klimaextremen wird die heimischen Wirtschaftswälder weiter schwächen. Wir müssen uns deshalb auf wachsende Probleme mit dem Fichtenborkenkäfer einstellen“, so Jörg Müller, Zoologie-Professor in Würzburg und stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald.


Zunehmend trockene und heiße Sommer bedeuten vor allem für Fichten enormen Stress. Ihre ursprüngliche Heimat hat die Baumart in den Bergen; in niederen Lagen kommen Fichten natürlicherweise nicht vor. Erst der Mensch hat sie aus wirtschaftlichen Gründen im großen Stil dort angepflanzt. Fichten sind wenig widerstandsfähig gegen Hitze und Dürre. Eine lang anhaltende Wasserknappheit schwächt ihre Abwehr gegen den Borkenkäfer – chemische Stoffe, die den Käfern nicht gut bekommen, können nicht gebildet werden, und eine verstärkte Harzabsonderung, wodurch die Käfergänge verstopfen, findet nicht statt.


Faktoren, die die Populationsgröße von Insekten wie dem Borkenkäfer beeinflussen können, gibt es jede Menge: natürliche Feinde, Krankheitserreger, die Konkurrenz innerhalb der eigenen Art sowie mit anderen Arten, Landschaftsstrukturen, der Baumbestand, die Widerstandsfähigkeit der bevorzugten Wirtsbäume, Temperatur, Niederschlag. Welche Rolle diese im Einzelnen für die Populationsdynamik von Waldinsekten spielen, sei weitgehend unbekannt, so Müller.


Als Reaktion auf diesen Mangel an Wissen schlagen die Autoren vor, die weltweit vorhandenen Daten zu bündeln, Wissenslücken zur Populationsdynamik des Fichtenborkenkäfers und anderer Waldinsekten zu identifizieren und auf dieser Grundlage zentrale, offene Fragen durch neue Datenerhebungen zu beantworten. Aus experimentellen Feldstudien seien dann Handlungsempfehlungen abzuleiten. Ohne Unterstützung durch forstwirtschaftliche und staatliche Akteure sowie Geldgeber geht das nach Ansicht der Wissenschaftler nicht. Der jetzt vorgelegte Ansatz könne dazu beitragen, ein effizientes Management des Schädlingsbefalls in die Wege zu leiten.

Hintergrundbild: Der Buchdrucker ist in heimischen Wirtschaftswäldern ein gefürchtetes Insekt. Diese Borkenkäfer-Art kann in kurzer Zeit große Fichtenbestände zum Absterben bringen.


Text: Universität Würzburg; Foto: Rainer Simonis/Nationalpark Bayerischer Wald