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Zentrum für Geschichte der Psychologie

150. Geburtstag von William Stern

17.03.2021

William Stern ist einer der herausragenden Pioniere der Psychologie gewesen. Wir verdanken ihm u.a. die Entwicklung des Intelligenzquotienten, den Tonvariator, das erste Institut für angewandte Psychologie und die Differentielle Psychologie. Mit nur 38 Jahren erhielt er den Ehrendoktor der Clark University. Am 29. April 2021 jährt sich sein Geburtstag zum 150ten mal.

William und Clara Stern. (Sammlung AWZ, NL Werner Deutsch, Universität Würzburg)

150. Geburtstag von William Louis Stern am 29. April 2021

Denkt man an die herausragenden Pioniere aus der Anfangszeit der Psychologie, dann ist der Name William Sterns an einer der ersten Stellen zu nennen. Der von ihm entwickelte Intelligenzquotient (IQ) ist weltweit bekannt und auch zu seinen Lebzeiten soll Stern einer der international renommiertesten Psychologen gewesen sein.

Geboren und aufgewachsen in Berlin

Geboren wurde William Stern am 29. April 1871 in Berlin, wo er auch das Gymnasium besuchte und anschließend neben Philologie und Philosophie die Psychologie bei dem berühmten Gedächtnispsychologen Hermann Ebbinghaus (1850-1909) studierte. Als Ebbinghaus 1894 einen Ruf nach Breslau erhielt, folgte ihm William Stern bald darauf und habilitierte sich dort 1897. Zuvor hatte ihm der Nachfolger von Ebbinghaus, der Tonpsychologe Carl Stumpf (1848-1936) noch eine wichtige Anregung mit auf den Weg gegeben. Stumpf wies Stern darauf hin, dass bereits Helmholtz (1821-1894) herausgefunden hatte, dass angeblasene Flaschen relativ obertonarme Töne zu produzieren vermögen. Inspiriert von dieser Erkenntnis entwickelte Stern an der Universität Breslau einen Apparat für psychoakustische Forschungen, den Tonvariator, der es jeweils innerhalb einer Oktave ermöglichte, jeden Ton zu produzieren und in der Tonhöhe zu variieren.

Erste Intelligenztestversuche in Breslau

Während seiner Breslauer Zeit bei Hermann Ebbinghaus kam Stern auch in Berührung mit den ersten Versuchen der Intelligenztestmessung. Ebbinghaus hatte 1897 den Auftrag, den Aufmerksamkeitsverlauf von Schüler:innen während des Schultags zu vermessen. Er entwickelte dazu den bis heute bekannten Lückentext, eine frühe Vorform späterer Intelligenztests. Vielleicht war es diese frühe Beschäftigung mit der Messung geistiger Leistungen, die dazu führte, dass William Stern am 19. April 1912 ein verbessertes Maß für die in einem Intelligenztest gezeigte Leistung vorschlug, den Intelligenzquotienten IQ. Im Unterschied zu Alfred Binets (1857-1911) Maß des Intelligenzalters, setzte Stern dieses ins Verhältnis zum realen Lebensalter und multiplizierte das Ergebnis mit 100. Der Intelligenzquotient war entwickelt und setzte sich weltweit durch.
Als Ebbinghaus 1905 an die Universität Halle berufen wurde, konnte William Stern als sein Nachfolger an der Breslauer Universität agieren. Neben der Entwicklung des Intelligenzquotienten entstanden in seiner Breslauer Zeit auch bedeutende Arbeiten zur differentiellen Psychologie, die letztlich in der Begründung dieses Fachs mündeten. Gemeinsam mit seiner Frau Clara Stern (1877-1948) führten sie auch wichtige Untersuchungen zur kindlichen Sprachentwicklung durch und zeichneten die Entwicklung ihrer eigenen drei Kinder Hilde (1900-1962), Günther (1902-1992) und Eva (1904-1992) in Tagebüchern auf.

Der Ruf an das Kolonialinstitut in Hamburg und die Mitbegründung der Hamburger Universität

Im Kriegsjahr 1916 erhielt William Stern einen Ruf an das damalige Kolonialinstitut in Hamburg, einem Vorläufer der heutigen Universität, an deren Begründung 1919 er maßgeblich beteiligt war. In gut einem Jahrzehnt nach der Gründung der Universität Hamburg gelang es Stern aus kleinen Anfängen ein bedeutsames Institut mit 41 Räumen zu gestalten. Anlässlich des XII. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Hamburg 1931 berichtet er stolz über die "gegenwärtige äußere und innere Gestalt unseres Instituts" und betonte, dass es "...in gewissem Sinne als Anschauungsbeispiel gelte, weil […] in ihm die drei großen Aufgaben unserer Wissenschaft: Forschung, Lehre und Anwendung gleichmäßig und in enger Verbindung gepflegt werden..." (Stern, 1931, S. 182). Nur zwei Jahre nachdem William Stern dies publizierte, wurde er trotz all seiner Verdienste allein aufgrund seines jüdischen Glaubens von den Nationalsozialisten durch das verharmlosend benannte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ seines Amtes enthoben und in die Emigration gezwungen. Nach einem Aufenthalt in den Niederlanden fand William Stern an der Duke University in Durham eine neue Wirkungsstätte, die er bis zu seinem Tode im Jahr 1938 ausfüllte.

Die Rettung der verbliebenen Apparate durch Prof. Erich H. Witte

Durch den Zweiten Weltkrieg und die damit verbundene Zerstörung Hamburgs sowie durch die Wiederaufbaujahre und den an Universitäten üblichen Wandel, sind nicht allzu viele Zeitzeugnisse des ehemals großen Sternschen Instituts erhalten geblieben. Dass es dennoch eine kleine Sammlung von Apparaten aus dem Sternschen Labor gibt, verdanken wir ganz wesentlich Prof. Erich H. Witte, der sie vor ihrer Entsorgung aus einem Container rettete. Vor ein paar Jahren übergab Prof. Witte diese Apparate dem Zentrum für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg, wo sie sachkundig restauriert und seitdem klimatisch überwacht für die Zukunft bewahrt werden. Ein Teil dieser Apparate wurde bereits in der Ausstellung des Adolf-Würth-Zentrums "Carl Stumpf (1848-1936) und die Anfänge der Gestaltpsychologie" gezeigt. Anlässlich von Sterns 150. Geburtstag haben wir nun alle Apparate in 3D gescannt und stellen diese hier online zur Verfügung. Soweit sie sich in Originalfotografien dem Sternschen Materialraum für Versuchsanordnungen bzw. den Räumen der feinmechanischen Werkstatt des Sternschen Instituts zuordnen lassen, wurden sie direkt mit den entsprechenden Fotografien verlinkt.

Zwei hörenswerte Beiträge von WDR ZeitZeichen

Bereits zweimal hat der Westdeutsche Rundfunk in der Reihe WDR ZeitZeichen über William Stern berichtet. Einmal anlässlich seines 120. Geburtstags 1991 und ein weiteres Mal anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Intelligenzquotienten 2012. In beiden Folgen wirkte der Psychologe Prof. Werner Deutsch von der Universität Braunschweig mit, der sich über viele Jahre seines Lebens intensiv mit William Stern befasst hat und dessen Nachlass auch vom Adolf-Würth-Zentrum bewahrt wird. Beide Radiobeiträge stellen wir mit freundlicher Genehmigung von WDR ZeitZeichen hier zur Verfügung:

WDR ZeitZeichen 1991 anlässlich Sterns 120. Geburtstag. (Quelle: WDR ZeitZeichen. NL Werner Deutsch, Sammlung AWZ, Universität Würzburg)

WDR ZeitZeichen 2012 anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Entwicklung des Intelligenzquotienten. (Quelle: WDR ZeitZeichen)
 

Armin Stock

weitere Objekte aus dem Sternschen Institut:

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