Intern
MIND-Center

Erste Experimente im Schülerlabor

24.08.2010

Die Universität bereitet sich auf die Anforderungen der neuen gymnasialen Oberstufe vor

Bild: Bevor die Wachsschicht analysiert werden kann, muss sie von der Oberfläche der Pflaume abgelöst werden. Die beiden Lehramtsstudentinnen Caroline Schöner (links) und Linda Markert (rechts) zeigen Michaela Pickel (Mitte) vom Schönborn-Gymnasium in Münnerstadt, wie’s mit dem Klebstoff Gummi arabicum geht. Foto: Margarete Pauli

Tomate, Pflaume oder Paprika – die verschiedensten Früchte schützen sich mit einer dünnen Wachsschicht auf der Schale vor Umwelteinflüssen und vor Flüssigkeitsverlust. Die ganz spezielle chemische Zusammensetzung dieser Wachse kann aber auch Insekten oder Pilzsporen signalisieren, dass sie ihre jeweilige Wirtspflanze gefunden haben. Diese Wachse zu gewinnen, sie mit modernsten Methoden wie der Gaschromatographie und der Massenspektrometrie zu analysieren und die Ergebnisse schließlich zu interpretieren, das haben die Schüler des Chemie-Grundkurses des Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasiums aus Münnerstadt bei ihrem zweitägigen Schülerpraktikum am Lehrstuhl für Botanik II der Universität Würzburg gelernt. Die Universität ihrerseits bereitet sich mit Schülerprojekten wie diesem auf die sogenannten W-Seminare vor – die neuen wissenschaftspropädeutischen Seminare, die die Schüler künftig in der Oberstufe des achtjährigen Gymnasiums absolvieren müssen.
Thomas Mühlbauer – selbst auch Biologie- und Chemielehrer - koordiniert am Biozentrum der Universität eine ganze Reihe von Schülerprojekten. In dieser Funktion tüftelt er nun auch daran, in welcher Form die Lebenswissenschaften diese W-Seminare künftig sinnvollerweise einbinden können. Die Seminare, sagt er, „sollen Schüler auf den Hochschulbetrieb vorbereiten, sollen zeigen, wie echte Wissenschaft läuft, was der Wissenschaftler macht. Konkret: wie recherchiere ich, wie arbeite ich experimentell im Labor, wie werte ich die Ergebnisse aus?“ Nicht zuletzt sollen sie den Jugendlichen auch so weit Einblick in ein Fach geben, dass sie entscheiden können, ob ein Studium in diesem Bereich für sie In Frage kommt.
In Projekten wie dem mit den Schülern aus Münnerstadt möchte Mühlbauer sein Modell für die künftigen W-Seminare erproben: Angedacht ist, dass Lehramtsstudierende im sechsten Semester in einem Praktikum die wichtigsten experimentellen Methoden ihres Fachs erlernen, und diese dann – in eigenen Modulen, die sie in Dreiergruppen anleiten – an die Schüler weitergeben. Die Vorteile dieser Herangehensweise liegen für Mühlbauer auf der Hand: Nur durch ein derartiges Schneeballsystem könne die Universität mehreren Schülern eine solche experimentelle Möglichkeit bieten. Vor allem aber könnten die Lehramtsstudierenden auf diese Weise erste Erfahrungen in der praktischen Vermittlung solcher Methoden sammeln. Gleichzeitig würden sie sich die Experimente aneignen, die sie später in der Schule als Lehrer in den W-Seminaren selbst anbieten können. Um diese didaktische Ausrichtung in der Lehrerausbildung zu stärken, sollen solche Mentorentätigkeiten künftig im Rahmen der neuen Lehrerprüfordung als Ausbildungsinhalt angerechnet werden.
„Die Schüler werden in diesen neuen Oberstufen-Seminaren mit der Uni kooperieren. Das ist kein Uni-Sightseeing, sondern der Beginn einer Implementierung von Schul-Universitätskooperationen in das neue Oberstufensystem und in das neue Lehrerprüfordnungs-System der Uni“, erklärt Mühlbauer. Um diese Zusammenarbeit von Universität und Schule langfristig zu verstetigen, würde er gerne ein Didaktikzentrum, das sogenannte MIND-Center, gründen - im Verbund mit der Mathematik, der Informationstechnologie und den Naturwissenschaften, allen voran mit dem Lehrstuhl für Physik und ihre Didaktik. Kernstück des Zentrums wäre neben einer fächerübergreifenden Koordination der didaktischen Ausbildung die Profilierung der Lehrerausbildung. Im MIND-Center könnten dann letztlich diese Schul-Universitätskooperationen stattfinden. Zur Zeit, sagt Mühlbauer, „prüfen wir auch über die Hochschulleitung, ob so etwas umsetzbar ist“.
Das Projektseminar „Chemisch-physikalische Analyse pflanzlicher Wachse“ für die sieben Gymnasiasten aus Münnerstadt haben Linda Markert und Caroline Schöner vorbereitet – angeleitet vom Biologen Michael Riedel, in dessen Labor das Projekt auch stattfand. Dazu haben die beiden Lehramtsstudentinnen im 8. Semester unter anderem Vorexperimente durchgeführt und Versuchsprotokolle geschrieben. Auch die Schüler selbst waren gut vorbereitet. Sie haben im Vorfeld zum Beispiel in Referaten erarbeitet, wie die Gaschromatographie funktioniert. Sie wussten auch schon vorab, was sie beim Einsatz von Chloroform beachten müssen, mit dem sie dann im Labor die Wachse gelöst haben.
Der erste Projekttag hat dann mit einer kurzen Einführung von Michael Riedel zu den biologischen und chemischen Hintergründen der Versuche begonnen. Ganz im Stile einer Vorlesung, um auch diesen Eindruck zu vermitteln. Riedel hat den Schülern Einblick in die Fragestellungen seines Fachs gegeben und – während der Arbeit im Labor – aus dem Nähkästchen geplaudert. Zum Beispiel hat er ihnen erzählt, wie viele Methoden man ausprobieren musste, bis man schließlich auf den Klebstoff Gummi arabicum gestoßen sei, mit dem die Schüler nun die Wachschicht von den Früchten mechanisch entfernen konnten. „Oft ist Forschung Geduld und Warten – in der Hoffnung, dass etwas dabei rauskommt. Und manchmal ist die Hälfte der Experimente, die wir machen, für den Müll – aber wenigstens haben wir dann gesehen, dass es so nicht geht.“
Claudia Rube, eine der Schülerinnen, möchte eventuell Chemie oder Biologie studieren – vielleicht aber auch Architektur. Tomy Neumann interessiert sich für den medizinisch-biologischen Bereich. Das Praktikum gebe einen guten ersten Einblick in die Biologie und die Chemie und auch in den Wissenschaftsbetrieb an sich, finden die beiden Gymnasiasten. Klar geworden ist auch, dass ein Biologiestudium heute nur noch in den seltensten Fällen bedeutet, auf der grünen Wiese nach seltenen Blumen zu suchen. „Auch die Biologie ist heute in vielen Fällen ein Laborstudium“, sagt Michael Riedel. „Der Forschungsalltag ist der Laboralltag.“