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MIND-Center

Ein Klassenzimmer an der Uni

23.10.2012

Lehramtsstudierende unterrichten Schüler; andere Studierende können das Geschehen zeitgleich im Nebenzimmer beobachten und diskutieren: Das ist das Prinzip des Universitäts-Klassenzimmers. Jetzt wurden die neuen Räume mit einer explosiven Aktion offiziell ihrer Bestimmung übergeben.

"Ey, cool. Der spuckt ja Sand!" Drittklässler aus Eibelstadt beschäftigen sich im Uni-Klassenzimmer mit dem Thema "Vulkanismus". (Foto: Gunnar Bartsch)

„Haben alle ihre Schutzbrille auf? Na dann kann es ja losgehen!“ Zehn Drittklässler aus der Grundschule Eibelstadt blicken gespannt auf einen großen Berg von Sand. Nachdem er sich noch einmal vergewissert hat, dass keiner von ihnen seine Schutzbrille vergessen hat, dreht Lehramtsstudent Johannes Lömke das Ventil einer Druckluftflasche auf. Ein dumpfes Plopp, die Flanke des Sandbergs gerät ins Rutschen, aus einem Krater schießen Sandkörnchen in die Höhe: der Vulkan ist ausgebrochen. Ein vielstimmiges „Ah“ klingt durch den Raum.

Übertragung ins Nebenzimmer

Dass Lehramtsstudierende der Universität Würzburg im Didaktikzentrum auf dem Hubland-Campus Nord Schulklassen unterrichten und mit ihnen Experimente durchführen, ist nicht neu. Neu ist hingegen, dass ihr Unterricht jetzt von Kameras und Mikrofonen in ein Nebenzimmer übertragen werden kann. Dort beobachten andere Studierende zusammen mit ihren Dozenten das Geschehen und diskutieren. „Universitäts-Klassenzimmer“ heißt die neue Einrichtung, die auf eine Initiative des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZfL) der Uni zurückgeht. 

Die „Verbesserung der Lehre“ ist nach den Worten von Dr. Britta Schmidt, der Leiterin des ZfL, primäres Ziel des Uni-Klassenzimmers. „Studierende können hier ihr eigenes Auftreten vor einer Klasse und das ihrer Kommilitonen im Austausch mit erfahrenen Dozenten und Berufspraktikern reflektieren“, sagt Britta Schmidt.

Neueste Technik für besseren Unterricht

Wie wirke ich auf die Klasse? Welche Signale setzt meine Körpersprache? Verwende ich häufig Floskeln oder nuschele ich gar? Wie reagiert die Klasse? Wann dämmern die ersten Schüler weg? Diese und weitere Fragen können die Studierenden nun in aller Ruhe und mit Hilfe der Technik im Uni-Klassenzimmer erforschen. Zwei Kameras übertragen die Bilder aus dem Klassen- ins Nachbarzimmer und ermöglichen den Blick auf Schüler und Studierende; zehn Mikrofone fangen das Gesagte auf. Smartboard, Tafel, Beamer und Rechner stehen den angehenden Lehrern zur Verfügung, damit sie ihren Unterricht auf dem technisch neuesten Stand präsentieren können.

„Im Uni-Klassenzimmer haben die Studierenden die Möglichkeit, ihren Unterricht in aller Ruhe vorzubereiten“, beschreibt Britta Schmidt einen weiteren Vorteil der neuen Einrichtung. Anders als es beispielsweise beim Praktikum in einer Schule möglich ist, können sie hier ihr Experiment schon am Vortag aufbauen und sich mit der Technik vertraut machen. Die Gefahr, dass beispielsweise der Rechner mit dem schuleigenen Beamer nicht klarkommt und abstürzt, ist hier nicht gegeben. Und intelligente Smartboards finden sich noch längst nicht an allen Schulen.

Ein Angebot für alle Interessierten

Das neue Angebot des Zentrums für Lehrerbildung steht allen Fächern und allen Schularten offen. Sowohl Geisteswissenschaftler als auch Naturwissenschaftler können dort ihre Unterrichtskonzepte ausprobieren, egal ob für die Grundschule, das Gymnasium oder möglicherweise eine Gehörlosenschule. „Wir sind noch dabei, ausgefeilte Konzepte zu entwickeln“, sagt Britta Schmidt. Aus diesem Grund will sie möglichst bald eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen, an der sich alle „an Pädagogik Interessierten der Universität“ beteiligen können. Unter den Fachdidaktikern habe sie jedenfalls schon jetzt eine große Kooperationsbereitschaft gespürt, so die Leiterin des ZfL.

Ihr Traum ist es, möglichst bald ganze Projekttage für Schulen im Uni-Klassenzimmer anzubieten. Dann könnten beispielsweise Geographen Vulkanausbrücke simulieren, Chemiker die Zusammensetzung der Lava analysieren, Germanisten die Metapher „Vulkan“ in Klaus Manns gleichnamigen Roman interpretieren und Historiker die Folgen des Vesuvausbruchs im Jahr 79 v. Chr. für das Römische Reich darstellen – und das mit innovativen Konzepten und neuesten Materialien.

Den Drittklässlern aus Eibelstadt hat der Ausflug in das Universitäts-Klassenzimmer jedenfalls gut gefallen. „Das war lustig, als der Sand oben rausgeflogen ist“, sagt einer von ihnen zum Abschied.