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Forschungsstelle Deutscher Orden

Ergebnisse zum internationalen Workshop „Siegel des Deutschen Ordens“

11/21/2017

Vom 13. bis 15. Oktober 2017 fand in der Forschungsstelle ein Workshop unter hochkarätiger Besetzung statt.

Siegel in der Vitrine der Forschungsstelle Deutscher Orden.
Siegel in der Vitrine der Forschungsstelle Deutscher Orden.

Grundlage des Workshops war die im September 2016 erfolgte Schenkung von Siegelabgüssen des Deutschen Ordens durch Herrn Dr. h.c. Hans-Georg Boehm an die Forschungsstelle Deutscher Orden (FDO). Der Workshop vereinte eine kleine, aber engagierte Truppe von Historikerinnen und Historikern aus dem In- und Ausland an der FDO, um über die Problematik eines Siegelcorpus, insbesondere aber über dessen digitale Erschließung zu diskutieren und zu beratschlagen. Neben den im Folgenden genannten Vortragenden waren in beratender Funktion Herr Professor Dr. Toni Diederich und Frau Professor Dr. Andrea Stieldorf (beide Bonn) anwesend.

Der wissenschaftliche Austausch begann zunächst mit einer Begrüßung durch den Leiter der Forschungsstelle, Herrn Professor Dr. Helmut Flachenecker. Er richtete seinen besonderen Dank an die anwesenden Gründer und Förderer der Forschungsstelle, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Dieter Salch und Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Udo Arnold und selbstverständlich auch an die Universität Würzburg, an welcher die Forschungsstelle beheimatet ist. Kurz wurden die Ziele der FDO, die im Aufbau eines dem Thema entsprechenden Bibliothekszentrums, in Forschung(sinitiativen), Tagungen, Veröffentlichungen und nicht zu vergessen, der universitären Lehre zu sehen sind.

Der Einstieg in die Vortragsreihe erfolgte durch Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Udo Arnold, der sich mit dem Thema „Auf dem Weg zu einem Siegelcorpus des Deutschen Ordens beschäftigte. Dabei wurde zunächst auf ein altbekanntes und immer noch weit verbreitetes Problem aufmerksam gemacht. Die Sphragistik, auch als Siegelkunde bekannt, wurde in der Vergangenheit unter den Historikern als eine reine Hilfswissenschaft eher stiefmütterlich behandelt. Verstärkt wurde und wird dieses Phänomen durch den Mangel an ausgebildeten Forschern und Instituten an den Universitäten. Obwohl Siegel, wenn auch in anderem Ausmaß als vor allem im Mittelalter, auch heute noch in Gebrauch sind, wird diese Wissenschaft kaum forciert.

Speziell zu Siegeln des Deutschen Ordens wurde bereits in der Vergangenheit vereinzelt geforscht. Ein Paradebeispiel stellt der Ausstellungskatalog 800 Jahre Deutscher Orden des Germanischen Nationalmuseums (1990) dar. Dabei wurde aber überwiegend der regionale Aspekt betont. Damit einhergehend kann zwar eine Steigerung der Aufmerksamkeit gegenüber der Sphragistik (speziell auch zum OT) festgestellt werden, doch ist eine weitere vertiefte Thematisierung sowohl im Allgemeinen, als auch im Speziellen nicht nur nötig, sondern vor allem geboten.

Die Reihe der Vorträge setzte Professor Dr. Janusz Trupinda (Danzig/Polen) fort, der seine Aufmerksamkeit Siegeln des OT in polnischen Sammlungen widmet. Er betonte vor allem die Relevanz von Siegeln niederer Amtsträger, wobei gerade in polnischen Archiven auf Grund der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs große Verluste hingenommen werden mussten. Ähnlich wie hierzulande, herrscht auch in Polen ein weitverbreiteter Mangel an entsprechender Forschung, wie die bisher kaum beachtete Siegelsammlung Vossberg im Nationalmuseum Breslau aufzeigt. Von diesem Desinteresse betroffen sind ebenso kirchliche Archive. Eine Verknüpfung der entsprechenden Bestände wäre wünschens- und erstrebenswert, wobei hierfür aber zu allererst gemeinsame Richtlinien nötig sind, um eine einheitliche Struktur zu schaffen.

Darauffolgend informierte Dmitrii Baiduzh (Tyumen/Russland) über „Internationale Richtlinien für Siegelcorpora“. Herr Baiduzh arbeitet an einem geschlossenem Siegelcorpus, dessen Aufbau einer heraldischen Datenbank ähnlich ist. Dabei widmet er sich unter anderem der Suche nach gleichen oder nachgeschnittenen Matrizen, wobei sich hier allerdings die Frage der Anwendbarkeit stellt. Eingeschlossen ist beispielsweise der Versuch, eine Traditionsbildung bzw. gewisse Trends herauszuarbeiten. Die Methodik selbst ist dabei noch wenig entwickelt worden. Herr Baiduzh engagiert sich bei der EDV-technischen Erfassung von Siegeln vor allem für möglichst einfach strukturierte Eintragungen.

Einen Einblick in den baltischen Raum gewährte Juhan Kreem, PhD aus Tallinn in Estland, dessen Thema „Zwischen Amtlichem und Persönlichem. Zum Gebrauch von Siegeln des Deutschen Ordens in Livland im 15. und 16. Jahrhundert“ lautete. Einführend erfolgte zunächst eine Methodendiskussion über die Umschreibung von Siegeln und die Relevanz des zugehörigen Typars, die Verlässlichkeit von Siegelrepliken sowie deren Herstellung. Die Entwicklung des Siegels im livländischen Raum vollzog sich vom Amtssiegel zum Privatsiegel, wobei keine lineare Entwicklung festzustellen ist. Überliefert sind auch Fälle, in denen ein Privatsiegel durch einen Amtsnachfolger weiter verwendet wurde. Dies wirft allerdings sogleich die Frage auf, ob es sich hierbei um die sich herauskristallisierende Entwicklung einer Anwendung oder um ein generelles Überlieferungsproblem handelt.

Ähnlich wie in anderen Archiven ist auch in diesem Fall die Aufbewahrung und Nutzbarmachung von Siegeln alleine auf Grund von deren Erhaltungszustand problematisch. Dabei bietet die Digitalisierung etwaiger Bestände große Chancen an, die selbstverständlich unter Kenntlichmachung, die Einbindung von Rekonstruktionen und Abbildungen möglich machen würde. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass eine bessere Darstellung von Relationen möglich wäre.

Den Abschluss des ersten Tages bildete der Vortrag von Herrn Dr. h.c. Hans-Georg Boehm, der über sein Handwerk referierte, mit welchen Methoden er die Abgüsse und Abdrücke erstellte. Dabei konnten interessante Einblicke in seine etwa 50 Jahre andauernde Sammelleidenschaft gewonnen werden. Neben zahlreichen Beispielen von Siegelabgüssen/-abdrücken, zeigte er ebenfalls seine Negativabgussformen und versorgte die Workshopteilnehmer mit Exemplaren seiner selbst erstellten Schriftenreihe, herausgegeben von der „Wissenschaftlichen Vereinigung für den Deutschen Orden e.V.“ und der „Historischen Deutschorden-Compagnie zu Mergentheim 1760 e.V.“, die sich in Teilen mit Siegeln unterschiedlichster Art beschäftigen. Zugleich übergab er der FDO eine weitere Sammlung von Siegeln des Deutschen Ordens zur Erforschung und Digitalisierung. Diese Auswahl stellt eine Leihgabe der Ordensburg-Gilde e. V. Liebstedt dar.

Der zweite Tag des Workshops begann mit einem schwierigen Thema. Professor Dr. Caspar Ehlers vom Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte hatte es sich zur Aufgabe gemacht, einen möglichen Zusammenhang der Themen Siegel, Raum, Rechtsraum darzustellen. Für die Darstellung des Ordens im Raum sei die Erarbeitung eines Gruppenkonzepts nötig, da der OT eine herrschaftsbildende Institution darstellte. Die Verbindung zu Siegeln besteht nun in der Frage, ob Siegel einen Raum reflektieren können. Dazu ist zunächst einmal die Klärung der Frage nach der Bedeutung von Siegeln notwendig, die sich unter anderem in der Verbindung von Individuum und Kollektiv finden lässt.

In diesem Zusammenhang muss aber der Raum-Begriff selbst thematisiert werden. Dazu gehört auch die Beantwortung der Frage, ob sich anhand der Verbreitung von Siegelbildern Räume erschließen lassen können. Zahlreiche weitere Fragen schließen sich in diesem Fall an. Letztendlich hat sich bei der Bearbeitung dieser Thematik gezeigt, dass es ein sehr komplexes Unterfangen darstellt, Siegel mit (Rechts-)Räumen in Verbindung zu bringen.

Anschließend befasste sich der Vortrag von Frau Professor Dr. Maria Magdalena Rückert vom Staatsarchiv Ludwigsburg mit dem Thema „Siegel im Archiv. Die Problematik von Siegelselekten, Siegelarchivierung und deren Konservierung im Landesarchiv Baden-Württemberg“. Sie verwies dabei vor allem auf die Archive Stuttgart und Ludwigsburg, erläuterte die dortigen Bestände und deren Erschließung anhand eines Erfassungsbogens. Langfristig wird in den dortigen Archiven die Digitalisierung und Publikation der Siegelbestände angestrebt, der aktuelle Erschließungsstatus ist bisher noch klein. Auch hier wird eine einheitliche Vorgehensweise als sinnvoll erachtet und angestrebt.

Zum Abschluss der zweitägigen Vortragsreihe stellte Frau Dr. des. Katharina Kemmer den Teilnehmern den Umfang der so genannten „Sammlung Boehm“ vor, sowie die Chancen und Perspektiven, die damit verbunden sind. Die Sammlung umfasst nach bisherigem Stand ca. 1 700 – 1 800 Siegel in Form von Abdrücken, Abgüssen, Fotographien, Negativen und Dias (s/w, bunt). Die geographische Verbreitung der Siegel beschränkt sich dabei nicht alleine auf den fränkischen Raum. Es handelt sich dabei vielmehr um den gesamten durch den Deutschen Orden jemals beherrschten Raum, wodurch die europaweite Ausbreitung des OT noch einmal deutlich wird.

Begleitend zu den Siegeln selbst wurden noch thematisch sortierte Karteikarten überreicht, die bereits in Grundzügen einige Informationen zu den Siegeln enthalten. Trotz dieser bereits rudimentär vorhandenen Daten wurde dennoch deutlich, dass auch in diesem Fall noch sehr viel Arbeit zu leisten sein wird, die über Jahre hinweg andauern wird. Dabei sind vor allem verschiedene Möglichkeiten der Nutzbarmachung für Wissenschaft und Forschung aufzuzeigen und zu diskutieren.

Die den Workshop abschließende Diskussion hat vor allem die Notwendigkeit einer unter Leitung der Forschungsstelle Deutscher Orden organisierten Kooperation unter den einzelnen Teilnehmern deutlich gemacht. Um auf Dauer eine sinnvolle Zusammenarbeit gewährleisten zu können, sei vor allem Eines wichtig: die Einheitlichkeit in der Erfassung und Bearbeitung der Siegel zu gewährleisten. Dies betrifft vor allem die Konzeption einer zugehörigen Datenbank für die spätere Bereitstellung und Nutzbarmachung der Forschungsergebnisse. Eine gute Grundlage für Inhalte einer solchen Datenbank bietet der von Toni Diederich 1987 erschienene Aufsatz „Inventarisierung von Siegelbeständen mit Hilfe der EDV. Informationen und Überlegungen zu einem neuen Projekt“ (in: Der Archivar, Jahrgang 40, 1987, Heft Nr. 3).

Die Forschungsstelle Deutscher Orden dankt allen Teilnehmern des Workshops für deren Erscheinen, Interesse, gehaltenen Vorträge und eingebrachte Ideen und hofft auf eine gute zukünftige Zusammenarbeit, die dann auch über diesen Kreis hinaus weitere Forscherinnen und Forscher auf dem Gebiet der Deutschordenssphragistik zusammen führen möchte!

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