Forschung

„Klein, aber zäh“
Sie sind in uns, auf uns und um uns herum. Sie existieren in den heißesten Quellen und den kältesten Höhen. Zehn von ihnen reichen aus, um uns umzubringen – aber ohne sie können wir nicht überleben: Bakterien!

Bakterien besitzen faszinierende Eigenschaften. Sie passen sich ihrer jeweiligen Umgebung hervorragend an – und sie gab es schon lange vor unserer Zeit. Ihre Zähigkeit hat dazu geführt, dass sich Bakterien seit drei Milliarden Jahren erfolgreich auf der ganzen Welt verbreitet haben – auch an Orten, an denen Menschen nicht überleben könnten – in heißen Quellen und in kältesten Höhen. Entdeckt wurden sie allerdings erst vor wenigen Hundert Jahren. Seit dieser Zeit haben Forscherinnen und Forscher die winzigen Wesen immer eingehender unter die Lupe genommen.


Gefahr durch Mutationen

Auch der Biotechnik-Ingenieurin Dr. Ana Rita Brochado haben es die winzigen Mikroben angetan. Am Biozentrum der Universität Würzburg richtet sie seit Anfang des Jahres eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit rund 1,82 Millionen Euro geförderte Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe mit dem Thema „Systems Biology of Antibiotics in Gram-negatives“ ein. Finanziell gefördert wird Dr. Brochado außerdem von den Nachwuchsprogrammen des Biozentrums und des Zentrums für Infektionsforschung der Uni Würzburg.


Dr. Brochado interessiert sich für bakterielle Krankheitserreger. „Bakterien sind sehr kleine, aber äußerst zähe Geschöpfe. Sie nutzen komplexe Mechanismen, um mit ihren Umweltbedingungen zurechtzukommen“, sagt die Forscherin. Das kann zu Problemen führen, wenn sie den Menschen infizieren. „Durch Mutationen können Bakterien rasch resistent gegen Antibiotika werden, die dann nicht mehr wirken“, erläutert Ana Rita Brochado. „Die Waffen, mit denen die Medizin bakterielle Infektionen bekämpft, werden schnell stumpf. Neue Strategien sind permanent gefragt.“


Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf den sogenannten gramnegativen Bakterien, die als Infektionserreger besonders schwierig zu bekämpfen sind. Das liegt an ihrer komplexen Hüllstruktur: Zusätzlich zu ihrer Zellwand besitzen sie eine externe Biomembran, die sie sehr widerstandsfähig gegen Antibiotika und andere Einflüsse von außen macht.


Alte Antibiotika wiederbelebt: Vanille gegen Krankheitserreger

Ana Rita Brochado untersucht mit ihrer Gruppe die molekularen Mechanismen der Antibiotikawirkung in einem systembiologischen Ansatz. „Es ist nicht so, dass Bakterien bei Kontakt mit einem Antibiotikum einfach sterben“, erklärt sie, „in diesem Prozess werden zahlreiche Mechanismen in Gang gesetzt. Wir werden verschiedene Verbindungen allein und in Kombination verwenden, um die Komplexität der bakteriellen Reaktion besser zu verstehen.“

Die Wissenschaftlerin hat unter anderem gezeigt, dass verschiedene Bakterien sehr spezifisch auf Anti­bio­tika-Kombinationen reagieren und dass auch Inhaltsstoffe von Lebensmitteln die Aktivität von Antibiotika gegen resistente Bakterien erhöhen können. So konnten beispielsweise bestimmte klinische Isolate von Escherichia coli, die gegen das Antibiotikum Spektinomycin resistent sind, durch eine Kombination des Antibiotikums mit dem Aromastoff Vanillin erfolgreich bekämpft werden (Brochado et al., Nature, 2018). Vanillin ist aus der Küche bekannt: Es ist Hauptbestandteil des Vanillearomas.

Quantitative Biologie

Die Quantitative Biologie verwendet mathematische, statistische oder rechnergestützte Techniken, um lebende Organismen, zum Beispiel Bakterien, zu untersuchen. Ziel der quantitativen Biologie ist die Erstellung voraussagender (prädiktiver) Modelle in Bezug auf komplexe Vorgänge lebender Systeme.

Unter dem Mikroskop stark vergrößerte Colibakterien.

Der Werdegang der jungen Wissenschaftlerin

Ana Rita Brochado hat mehrere Forschungsstationen in Europa absolviert. Ihren Masterabschluss als Biotechnik-Ingenieurin machte sie in ihrem Heimatland Portugal am Instituto Superior Técnico in Lissabon. Sie promovierte 2012 an der Technischen Universität Dänemark in Lyngby mit einer Arbeit über die Modellierung des Hefemetabolismus.


Danach kam sie nach Deutschland. Hier forschte sie bis Ende 2018 als Postdoc in der Gruppe von Dr. Athanasios Typas am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. In dieser Zeit begann sie, sich für die Wirkungsweise von Antibiotika zu interessieren, und sie entwickelte Hochdurchsatzverfahren, um die Wirkung von Antibiotika-Kombinationen bei Bakterien zu untersuchen.


Vom EMBL wechselte Ana Rita Brochado Anfang 2019 an die Universität Würzburg. Hier baut sie ihre Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe am Lehrstuhl für Mikrobiologie im Biozentrum auf. Sie will nicht nur mit Lehrstuhlinhaber Professor Thomas Rudel kooperieren, sondern auch mit anderen Gruppen: „Ich interessiere mich vor allem für quantitative Biologie und Infektions­biologie. Die Würzburger Uni bietet mir dank ihrer gut vernetzten Forschungslandschaft die besten Voraussetzungen, um kombinierte Grundlagenforschung auf diesen Gebieten zu betreiben.“

Aber dabei soll es nicht bleiben. „Wir sind natürlich bestrebt, unsere Erkenntnisse für die Patientenversorgung nutzbar zu machen“, so Brochado. „Es müssen viele Forschungsteams kooperieren, um Forschungsergebnisse aus dem Labor erfolgreich in klinische Studien zu überführen. Dafür sehe ich in Würzburg hervorragende Möglichkeiten.“


Wege in die Infektionsbiologie

Studierende, die sich für dieses Forschungsgebiet interessieren, sollten am besten einen Studienhintergrund in Biologie, Biochemie oder Biomedizin besitzen. Dazu empfiehlt Ana Rita Brochado vor allem die Auseinandersetzung mit quantitativer sowie molekularer Biologie. „Wichtig ist eine exzellente Basis-Ausbildung auf diesen Gebieten, wobei man sich nicht zu früh auf ein bestimmtes Forschungsfeld festlegen sollte.“


Ihr ist es wichtig, dass junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Passion für ein bestimmtes Forschungsfeld selber entwickeln. „Denn Forschen in diesem Bereich gleicht einem Marathon – und nur wenn man die Hintergründe der Mechanismen genau versteht, stets neugierig bleibt und sein Ziel ausdauernd verfolgt, kann man erfolgreich forschen.“

„Sie sind grundlegender Bestandteil unseres Ökosystems,

ohne das wir Menschen nicht existieren können.“

Ana Rita Brochado

Lange Forschungstradition in Würzburg

Mit ihren Untersuchungen reihen sich die Wissenschaftlerin und ihr Team in die lange Tradition ein, die Würzburg in der Erforschung von Bakterien hat. Bereits um 1880 entdeckte der Mediziner Theodor Escherich in Würzburg ein im menschlichen Darm vorkommendes Bakterium, das nach ihm benannt wurde – Escherichia coli, kurz: E. coli.


Auch heute ist Würzburg in der bakteriellen Forschung ein überregional herausragender Standort. Das 1993 gegründete Zentrum für Infektionsforschung der Universität Würzburg (ZINF) ist die älteste universitäre Einrichtung in Deutschland, die sich interdisziplinär und fakultätsübergreifend der Erforschung von Infektionskrankheiten widmet. Besonderen Stellenwert für die Forschung besitzt auch das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg, das 2017 gegründet wurde. Das Tochterinstitut des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums (HZI) – deutschlandweit die größte Einrichtung für Infektionsforschung – arbeitet und forscht im Rahmen einer strategischen Partnerschaft gemeinsam mit der Universität Würzburg.


Keine Angst im Alltag

Doch bei allen Herausforderungen, vor die die winzigen Erreger die medizinische Forschung stellen, sieht Ana Rita Brochado Bakterien nicht als Feinde: „Sie sind grundlegender Bestandteil unseres Ökosystems, ohne das wir Menschen nicht existieren können. In unserem Alltag sollten wir uns keine allzu großen Sorgen wegen der Bakterien machen, auch übertriebene Hygiene ist absolut nicht notwendig – um die medizinischen Probleme, die mit ihnen einhergehen können, kümmern wir uns in der Forschung.“


Text: Jörg Fuchs; Foto: Daniel Peter, Public Domain

Hintergrundbild: Dr. Ana Rita Brochado baut an der Uni Würzburg eine Nachwuchsgruppe des Biozentrums auf.

Translationale Forschung

Translationale Forschung verbindet experimentelle und klinische Wissenschaft. Sie sorgt dafür, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in der klinischen Praxis genutzt werden können. Forschungsergebnisse werden dabei in präklinischen Studien, beispielsweise in Zellkulturen oder Tiermodellen, geprüft und bei erfolgreichen Ergebnissen anschließend in klinischen Studien an menschlichen Probanden getestet – bevor sie in die Behandlung von Patienten überführt werden.