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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

gleichstellung

BLICK
Ausgabe 3 - 2009

THEMA

Treibende Kraft für die Gleichstellung

20 Jahre Frauenbeauftragte an der Universität Würzburg

Dass dies ein „harter Job“ werden würde, war Ursula Brechtken-Manderscheid schon klar, bevor sie 1993 ihr Amt als Universitätsfrauenbeauftragte antrat. „Wir mussten ja alle diese Sachen richtiggehend aus dem Boden stampfen – das Frauenbüro, die Kinderbetreuung.“ Und man habe schon auch aushalten müssen, dass man sich mit dem Engagement für die Frauen nicht immer beliebt macht, sagt die heute 68-Jährige. „Aber wir mussten und konnten gestalten – und dabei hatte ich immer den Eindruck: Ich bin auf der gerechten Seite.“ Seit 20 Jahren arbeiten die Frauenbeauftragten daran, die Frauen an der Universität Würzburg voranzubringen. Ein Rückblick:

1988 wurde das Amt der Frauenbeauftragten erstmals im Bayerischen Hochschulgesetz verankert. Voran gegangen waren eine ganze Reihe von Initiativen zur Förderung der Frauen in der Wissenschaft – ausgehend von der Einsicht, dass auch die Expansion und Öffnung der Hochschulen in den 70-er Jahren nicht zwangsläufig zu einem höheren Frauenanteil in den Führungspositionen der Hochschule geführt hatte.

Ellen Schlüchter als erste Frauenbeauftragte

Als erste Frauenbeauftragte der Universität Würzburg wurde Ellen Schlüchter gewählt. Sie war die erste Jura-Professorin an der Julius-Maximilians-Universität überhaupt und Inhaberin des Lehrstuhls für Kriminologie und Strafrecht. Während ihrer Amtszeit – von 1988 bis 1990 – arbeitete die Universität daran, sich eine neue Grundordnung zu geben. Der Juristin kam dabei insbesondere die Aufgabe zu, die Artikel 19 und 20 über die Rechte und Pflichten der Frauenbeauftragten zu formulieren. Den zu geringen Frauenanteil in der Professorenschaft zu erhöhen, war dabei Ellen Schlüchters zentrales Anliegen. Dies Ziel wollte sie vor allem über eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen, wie sie in einem Beitrag für den Deutschen Hochschulverband „Frau als Hochschullehrerin“ formulierte.

Studien- und Karriereberatung für die Frauen

Ihr folgte von 1990 bis 1993 Angelika Hartmann nach. Die Professorin für Islamwissenschaft/Arabistik hat ihre wichtigste Aufgabe als Frauenbeauftragte in der gezielten Beratung von Frauen gesehen – vor allem von Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen. „Oft stehen sich Frauen selbst im Weg, wenn es darum geht, konkrete Positionen zu beanspruchen oder zu ergreifen. In meinen Sprechstunden … habe ich deshalb gemeinsam mit den Frauen Studienplanung im Sinne von Karriereplanung vorgenommen und so die Basis für einen erweiterten Handlungsspielraum der Frauen geschaffen“, hat Angelika Hartmann 1992 dem Senat berichtet. Dabei seien diese Beratungsstunden so stark frequentiert gewesen, dass die Studentinnen und Wissenschaftlerinnen oft bis ins Treppenhaus gestanden hätten.

Neu aufgelegte Programme wie das Hochschulsonderprogramm II (HSP II) des Bundes und der Länder, das unter anderem auch die Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses sowie des Wiedereinstiegs von Wissenschaftlerinnen nach der Familiephase vorsah, erleichterten dabei Angelika Hartmanns Aktivitäten zur Förderung weiblicher Karrieren. Diese Fördermittel standen dann in dieser oder ähnlicher Form auch ihren nachfolgenden Kolleginnen zur Verfügung. Des Weiteren organisierte Angelika Hartmann eine Vortragsreihe zur Geschlechterdifferenz; während ihrer Amtszeit wurde auch diskutiert, einen Lehrstuhl für Frauenforschung einzurichten. Aber auch um die Sicherheit auf den Universitätsgeländen kümmerte sich die Frauenbeauftragte. „Bisher existiert am Hubland kein Außentelefon und kein Nottelefon in der Tiefgarage. Zudem ist die Beleuchtung des Geländes schlecht und damit gefährlich“, monierte sie immer wieder. Vielleicht am intensivsten aber arbeitete sie daran, ein Frauenbüro einzurichten, eine Anlaufstelle für Frauen- und Gleichstellungsfragen aller Art.

Frauenbüro als wichtige Unterstützungs-Struktur

Tatsächlich etabliert werden konnte das Büro aber erst 1993 in der Amtszeit ihrer Nachfolgerin, der Mathematikerin Professorin Ursula Brechtken-Manderscheid. Das Büro sollte fortan zu einer wichtigen Stütze der Frauenarbeit an der Universität werden. Mit seiner langjährigen Leiterin Gisela Kaiser gewährleistet es die Kontinuität der Arbeit und ist Wissenspool und Gedächtnis zugleich für die jeweils nach ein oder zwei Amtszeiten wechselnden Frauenbeauftragten.

Ursula Brechtken-Manderscheid sagt heute über sich selbst, sie sei „nie eine Feministin gewesen, die über Benachteiligung geklagt“ habe. Aber während ihrer Zeit als stellvertretende Frauenbeauftragte sei sie doch zur Überzeugung gekommen, „dass das eine wichtige Sache ist, die Frauen an der Universität Würzburg voranzubringen“. Die Mutter zweier Söhne hatte zu dieser Zeit aber auch schon selbst erlebt, wie Frauen subtil aus der Universität gedrängt werden. „Eigentlich gehören Sie jetzt nach Hause“ hat sie nicht nur einmal gehört, wenn das Gespräch auf ihre Kinder kam. Oder auch – nachdem sie die Promotion abgeschlossen hatte: „Jetzt können Sie ja zuhause bleiben.“ „Und bei kleinen Kindern ist man ja besonders empfänglich für so etwas. Man denkt, da ist nur ein bestimmtes Zeitfenster, und wenn ich da etwas versäume, dann ist das nicht wieder gut zu machen.“

Mehr Professorinnen zu berufen, war auch zentrales Ziel ihres Engagements. Entsprechend betrachtet sie es als ihren größten Erfolg, diese Problematik in den Fakultäten zur Diskussion gebracht zu haben. Die Zahl der Professorinnen an der Universität Würzburg hat sich dann während ihrer Amtszeit von 1993 bis 1999 zwar langsam aber kontinuierlich von 13 auf dann 23 erhöht.

Das Thema, das ihr am meisten am Herzen lag, sei aber die Kinderbetreuung – beginnend mit den ganz Kleinen – gewesen, berichtet Ursula Brechtken-Manderscheid. Aus eigener Erfahrung wusste sie, „dass das einen fast kaputt macht, wenn die Kinderbetreuung nicht klappt“. Außerdem hätte die Evaluation der Fördermittel gezeigt, „dass das Wiedereinstiegsprogramm nicht sehr wirksam ist – also dass wir mit unserem Geld mehr bewirken, wenn die Wissenschaftlerinnen nach der Geburt eines Kindes nicht lange aussetzen“.

Kinderbetreuung gehört zur Grundversorgung

„Eine Kinderbetreuung gehört zur Grundversorgung, die eine Universität vorhalten muss – genau wie sie auch eine Mensa und ein Bibliothek anbietet“, ist sie immer noch überzeugt. „Eine Struktur, auf die sie zählen kann, ist absolut wichtig für eine Studentin oder Doktorandin. Man muss doch sehen: Wenn ich Sparkassenangestellte bin, bin ich ganz in der Nähe meiner Familie. Aber eine Studentin hat ihr ganzes familiäres Netzwerk in der Regel an einem anderen Ort. Dazu kommt: Wenn man wissenschaftlich arbeitet, plaudert man ja nicht so viel mit seinen Nachbarn, hat in seinem Wohnumfeld kein tragfähiges Netzwerk. Und ohne eine Gegenleistung anbieten zu können, kann man ja auch nicht die Nachbarin ständig bitten, auf sein Kind aufzupassen.“

Als Ursula Brechtken-Manderscheid aus dem Amt ausschied, hatte man im Hinblick auf die Kinderbetreuung schon einiges angestoßen. „Aber in trockenen Tüchern war’s noch nicht, als ich ausgestiegen bin.“ Barbara Sponholz, ihre Nachfolgerin, hat jedoch nahtlos daran angeknüpft. Dass es gelungen ist, eine universitätsbezogene Kinderbetreuung einzuführen, betrachtet die Geographie-Professorin heute als den wichtigsten Erfolg ihrer sechsjährigen Amtszeit von 2000 bis 2006. Besonders daran sei auch, „dass die Verwaltung den Sprung geschafft hat, sachbezogen mit der Gemeinde und der Kirche zusammenzuarbeiten um Betreuungsplätze für die Kinder von Wissenschaftlerinnen anbieten zu können“ – die Kinder der Studierenden wurden bereits vom Studentenwerk betreut.

Darüber hinaus seien damals die Förderprogramme für Nachwuchswissenschaftlerinnen fortgeführt und „relativ stark ausgeweitet“ worden. Und es habe eine wichtige gesetzliche Klärung gegeben – dass nämlich Restzeiten von befristeten Verträgen während einer Kinderpause von maximal drei Jahren nicht verfallen. Dies eröffnete nun auch Frauen mit befristeten Verträgen die Möglichkeit, nach der Kinderpause ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Seit 2006 sind zwei Frauenbeauftragte im Amt: Die Biologin Professorin Marie-Christine Dabauvalle und die Psychologin Dr. Elisabeth Baumgartner. Nachdem mit der Verabschiedung des neuen Hochschulgesetzes und der neuen Grundordnung die Frauenbeauftragten nun Stimmrecht in Gremien haben, in denen sie bislang nur beratend tätig waren, haben sich die Frauen darauf verständigt, die Aufgaben zu teilen. Die Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses und die damit verbundenen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind auch heute noch wichtige Themen in ihrer Arbeit.

Zentrale Aufgabe: Begleitung von Berufungsverfahren

Die zentrale Aufgabe der Frauenbeauftragten ist jedoch die Begleitung von Berufungsverfahren. Dort achten sie darauf, dass Frauen bei Berufungen nicht übergangen werden, bei gleicher Qualifikation den Vorzug vor dem männlichen Bewerber erhalten. In aller Regel übernehmen die Fakultätsfrauenbeauftragten diese Aufgabe. Sie sichten die Bewerbungen, haben den fachlichen Hintergrund, um die Qualität der Bewerbung zu beurteilen und gegebenenfalls darauf aufmerksam zu machen. „Wenn die aber sehen, dass ein falsches Spiel getrieben wird, steigt die Uni-Frauenbeauftragte ein“, erklärt Ursula Brechtken-Manderscheid. „Vor allem, um die Fakultätsfrauen zu entlasten.“ Diese seien oft nicht promoviert, vielleicht auch noch in einer abhängigen Position: „Wie sollten die so was durchboxen bei den Professoren.“

Zum Glück sei so eine Intervention selten nötig gewesen, meint Barbara Sponholz. Ursula Brechtken-Manderscheid fallen aber durchaus einige Fälle ein, in denen sie „in den Berufungskommissionen gekämpft“ und auch Erfolg gehabt hat. Ganz eindrücklich ist ihr noch das eine Mal vor Augen, als sie vor dem Fachbereichsrat gesprochen hat und dieser in der Folge die Berufungsliste an die Kommission zurückgegeben hat. „Und hinterher stand eine Frau oben auf der Liste. Das war schon ein richtiges Glückserleben.“

Gelernt, wie eine Politikerin zu agieren

Im Lauf ihrer Amtszeit hat sie gelernt, wie eine Politikerin zu agieren. Sie hat gelernt, wie wichtig es ist, in Berufungsverfahren früh zu intervenieren, „wenn die Liste noch nicht festgeklopft ist“. „Wenn sie schon steht, hat man die ganze Fakultät gegen sich, weil die ja auch nicht ihr Gesicht verlieren wollen.“ Und ihr ist bewusst geworden, wie wichtig es in diesem Amt ist, die Meinungsführer in den Verfahren zu kennen. Deshalb ist sie immer zu den verschiedensten öffentlichen Veranstaltungen und den anschließenden Empfängen gegangen, um diese kennenzulernen: „Da kommt man ins Gespräch, tauscht sich aus. Und später kann man dann viel leichter telefonieren.“

Weder Ursula Brechtken-Manderscheid noch Barbara Sponholz haben es aktiv betrieben, Frauenbeauftragte zu werden. Sie sagen, sie hätten sich „eher bereit erklärt als aktiv ,hier‘ gerufen“. So war Barbara Sponholz unter den Fakultätsfrauenbeauftragten eine derjenigen mit der längsten Erfahrung. Außerdem hatte sie ihre Habilitation schon hinter sich und hatte eine Dauerstelle inne. „Ich war also aus einer gewissen Abhängigkeitssituation raus. Dann kann man manchmal auch unbequemere Dinge sagen und muss nicht gleich denken: O weh, bei dem hab‘ ich Prüfungen nächstes Jahr.“

Nicht viele Frauen können das Amt übernehmen

„Tatsächlich“, sagt sie, „ist der Pool an Frauen, die diese Aufgabe übernehmen können, noch sehr überschaubar“. Frauen die noch dabei sind, ihre Karriere zu entwickeln, fehlt die Zeit dann unter Umständen für ihre Forschung. Sie riskieren auch, von den Kollegen künftig mehr als Frauenbeauftragte denn als Wissenschaftlerin wahrgenommen zu werden. „Und wenn Frauen dann mal eine leitende Position erreicht haben, dann sollen sie Projekte machen, Mentoring, und und und. Dann schaffen sie es zeitlich einfach nicht mehr, auch noch Frauenbeauftragte zu sein.“

Zudem müsse man aushalten können, dass man mit diesem Amt „schon auch ein bisschen quer ist“, sagt Ursula Brechtken-Manderscheid. Sei es, weil man gelegentlich doch auch Unbequemes ansprechen müsse. Sei es auch nur, dass es als lästig empfunden wird, wenn am Ende eines langen Sitzungsmarathons auch noch die Frauenbeauftragte ihren Bericht vortragen muss. Generell aber, sagt Barbara Sponholz, habe sie „diese Zeit eher konstruktiv erlebt“ – auch in der Zusammenarbeit mit den männlichen Kollegen.

Dass dieses Amt ihrer eigenen Karriere geschadet haben könnte, glauben die beiden Frauen eher nicht. Allerdings schränkt Ursula Brechtken-Manderscheid ein: „Meine Karriere war so weit gelaufen, als ich dieses Amt bekommen habe. Sie hätte sich sowieso nicht mehr verändert.“ Für sie persönlich sei es jedoch eine große Bereicherung gewesen: „Ich konnte in die verschiedenen Fakultäten reinschauen, habe viel Einblick in die Universitäts-Politik insgesamt bekommen.“ Darüber habe sie sich auch persönlich weiterentwickelt: „Früher habe ich brav meine Mathematik gemacht. Durch dieses Amt bin ich auf jeden Fall freier geworden, habe mich dann auch mehr getraut.“

Margarete Pauli

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