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Forschungsstelle Deutscher Orden

Auf den Spuren des Deutschen Ordens im Kaliningrader Gebiet

05/21/2019

Exkursion im Rahmen des Geschichtsstudiums - lesen Sie hier den vollständigen Bericht!

Gruppenfoto auf Burg Insterburg.
Gruppenfoto auf Burg Insterburg.

Vom 5. bis 12. Mai 2019 war eine 19-köpfige Gruppe der Julius-Maximilians-Universität Würzburg unterwegs in der Oblast Kaliningrad, dem ehemaligen Ostpreußen mit der Hauptstadt Kaliningrad bzw. Königsberg. Die Exkursionsteilnehmer sowie die Organisatoren des Lehrstuhls für Fränkische Landesgeschichte erlebten eine überaus interessante Woche, in der die meisten Reisenden zum ersten Mal mit der russischen Kultur in Verbindung kamen. Unterstützung fand die Gruppe in der Abordnung der Universität von St. Petersburg, nämlich dem Deutschordensforscher Dmitriy Weber und einer seiner Studentinnen, sowie einer Übersetzerin aus Moskau.

Das Kaliningrader Gebiet war – als militärischer Stützpunkt mit dem einzigen eisfreien Ostseehafen Russlands – seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein für Touristen abgeriegeltes Sperrgebiet. Erst nach 1990 konnten erste Touristen in das Gebiet einreisen, von denen viele die Stadt und das Umland von Kaliningrad/Königsberg noch aus vorsowjetischer Zeit kannten. Die russischen Fremdenführer, die die Exkursionsgruppe durch das Gebiet führten, wiesen darauf hin, dass es diese Rückkehrer waren, die häufig den nun einheimischen Russen erklärten, welche kulturellen und architektonischen Schätze sich in dieser russischen Exklave verbergen.

So war es denn auch gelegentlich recht abenteuerlich für die Studenten und Dozenten aus Würzburg, wenn der Reisebus an einer Stelle hielt, an der es zunächst nach Niemandsland aussah, bevor deutlich wurde, dass man sich vor der einstigen Ordensburg Labiau befand. Der viereckige Grundriss der Burg ist bis heute erhalten und sogar in Teilen bewohnt. Auch ein kleines Museum befindet sich darin. Von außen wird die Burg des 14. Jahrhunderts allerdings nur an jenen Stellen erkennbar, an denen der Putz abbröckelt und die alten Wände aus Findlingen und rotem Backstein wieder zum Vorschein kommen. Ein kleines kyrillisches Hinweis-Schild erklärt, dass es sich um ein von der Russischen Föderation geschütztes Denkmal, nämlich die Burg Labiau aus dem 14. Jahrhundert, handelt. 

Weitaus auffälliger waren dagegen die Ruinen der Georgenburg, der Insterburg sowie der Burg Ragnit. Diese drei einstigen Ordensburgen fielen nicht nur aufgrund des unverkennbaren roten Backsteins auf sondern auch durch die großen Hinweistafeln in russischer und englischer Sprache – manchmal sogar in deutscher Sprache. Am spannendsten für die gesamte Exkursionsgruppe war wohl die Erkundung der Ruine der Burg Ragnit, da sich jeder dort völlig frei bewegen und die verbliebenen Mauern ganz genau in Augenschein nehmen konnte. Für jeden deutschen Denkmalpfleger oder Sicherheitsbeauftragten wäre dies eine Katastrophe gewesen; bei den Exkursionsteilnehmern erweckte diese Art des uneingeschränkten Zugangs allerdings außerordentliche Begeisterung und einen ungeahnten Forscherdrang.

Es darf nicht verwundern, dass in sowjetischer Zeit die Geschichte der Kaliningrader Oblast erst mit dem Jahr 1945 begann – auch wenn sich an vielen Stellen deutlich sichtbare Zeichen der vorherigen deutschen Siedlungsgeschichte erhalten hatten. Nach dem Fall der Sowjetunion keimte das Interesse der Bevölkerung an der deutschen Geschichte der Region um Königsberg langsam auf und wurde auch von staatlicher Seite zugelassen. Bemerkenswert ist dabei das große Engagement einzelner Bürger dieser Region, die sich nicht nur um die Erforschung und den Erhalt kultureller Denkmäler bemühen, sondern sich auch für die Vermittlung der deutschen Geschichte dieser nunmehr russischen Region einsetzen. 

In der Stadt Königsberg selbst, in der die Exkursionsgruppe Quartier bezogen hatte, offenbarte sich den Würzburgern dieser Spannungsbogen von preußischer und sowjetischer Vergangenheit hin zu einer noch ungewissen Zukunft auf ganz besondere Weise. Auf der einen Seite erinnern unter anderem Bauten wie das „Haus der Räte“, das nach der Sprengung der Schlossruine an dessen Stelle erbaut, aber aufgrund des seither instabilen Untergrundes nie fertiggestellt wurde, unmissverständlich an die Zeit der Sowjetunion. Auf der anderen Seite belegt unter anderem der nach 1990 wiedererrichtete Dom mit seinen Museumsräumen, in denen ein umfangreiches Modell der Stadt von 1937 betrachtet werden kann, ein wachsendes Interesse an der deutschen Geschichte der Stadt. Dieser Eindruck wird durch den vielgebrauchten Namen „Königsberg“, ob in lateinischer oder kyrillischer Schrift, an ganz unterschiedlichen Stellen verstärkt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Einwohner dieser russischen Exklave in Zukunft eine eigene Identität zwischen deutscher Vergangenheit und machtpolitischem Einfluss aus Moskau entwickeln können. Der gesamten Region mit ihrer schönen Landschaft kann man jedenfalls nur mehr Touristen und damit auch mehr wirtschaftlichen Aufschwung wünschen.

Die Exkursion auf den Spuren des Deutschen Ordens im Kaliningrader Gebiet wird den Teilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben als eine spannende Reise in vergangene und wiederentdeckte Zeiten.

By Eva Maaz, M. A.

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