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    Über Würzburg in die Welt

    01.11.2015

    Der Musikwissenschaftler Ken‘ichiro Ikegami ist für seine Doktorarbeit nach Würzburg gekommen. Hier hat er nicht nur wertvolle Anregungen für seine Untersuchungen zum Schaffen Joseph Haydns erhalten. Der Aufenthalt hat in ihm auch die Liebe zur fränkischen Weinkultur geweckt.

    Die Musikwissenschaft hat Ken‘ichiro Ikegami nach Würzburg geführt, die Weinkultur vermisst er in Japan. (Foto: privat)
    Die Musikwissenschaft hat Ken‘ichiro Ikegami nach Würzburg geführt, die Weinkultur vermisst er in Japan. (Foto: privat)

    Ausländische Studierende, die einen Teil ihres Studiums an der Uni Würzburg absolvieren, zählen ebenfalls zu den Alumni. Was sie nach Würzburg geführt und wie es ihnen hier gefallen hat, hat Michaela Thiel, Geschäftsführerin des zentralen Alumni-Netzwerks, ausgewählte Ehemalige gefragt. Diesmal ist Ken‘ichiro Ikegami an der Reihe.

    Der japanische Gast hat in seiner Heimat zunächst Geschichte studiert, bevor er das Studium der Musikwissenschaft aufnahm. Für seine Promotion über die Kompositionen Joseph Haydns ist er an die Uni Würzburg gewechselt.

    Dr. Ikegami, Sie haben bei Professor Ulrich Konrad am Lehrstuhl für Musikwissenschaft promoviert. Warum ist Ihre Wahl auf Würzburg gefallen? Zwei Professoren waren in der Hauptsache dafür verantwortlich, dass ich mich auf den Weg nach Würzburg gemacht habe: Ulrich Konrad und Klaus Schilling.

    Ein Musikwissenschaftler und ein Informatiker. Wie haben die beiden Ihre Entscheidung beeinflusst? Bevor ich meine Entscheidung traf, habe ich etlichen Professoren in Deutschland mein damaliges Forschungsvorhaben – Untersuchungen zum Streichquartett-Schaffen Joseph Haydns – präsentiert. Dabei habe ich besonders von Würzburg einen guten Eindruck bekommen. Professor Ulrich Konrad, der Inhaber des Lehrstuhls für Musikwissenschaft, hat mein Vorhaben positiv bewertet und war bereit, mich als Doktorand zu akzeptieren. Er ist ein international anerkannter Mozart-Experte. Ich erwartete, durch ihn interessante Anregungen seitens des Mozart-Forschers bekommen zu können; schließlich waren Haydn und Mozart Zeitgenossen. Außerdem hat mich die Lage des Instituts beeindruckt: Es war damals noch in der Residenz untergebracht! Und insgesamt hat mir die historische Stimmung der unterfränkischen Stadt sehr gefallen.

    Und welche Rolle hat der Informatiker Klaus Schilling dabei gespielt? Bei der Entscheidung habe ich auch an meine Frau gedacht, die mit mir nach Deutschland kommen sollte. Klaus Schilling, der Inhaber des Lehrstuhls für Informatik VII, ist ein Freund ihres Vaters. Er war bereit, uns zu unterstützen. Freundlicherweise hat er uns sogar ein Zimmer in seinem Haus angeboten, in dem wir im ersten Monat gewohnt haben.

    Wie sind Sie eigentlich zum Thema Musik gekommen? Ich bin ein vergleichsweise seltener Typ unter den Musikwissenschaftlern. Ich habe eigentlich keine musikalische Jugendzeit verbracht. Im Gegenteil: Als ich Teenager war, hatte ich überhaupt kein Interesse an Musik. An der Uni habe ich mich deshalb zunächst im Hauptfach für „Japanische Geschichte“ eingeschrieben.

    Und wie kamen Sie dann doch noch zur Musik? Im ersten Semester hatte ich ganz spontan die Idee, etwas Musikalisches zu tun. An meiner Uni gibt es zahlreiche Gruppen, in denen Studenten gemeinsam Musik machen. Weil meine Mutter früher Gitarre gespielt hat, habe ich die Gruppe für klassische Gitarre gewählt und mich total in dieses Instrument verliebt. Seitdem habe ich, von der Musik für Gitarre ausgehend, viele Werke kennengelernt und sie mir intensiv angehört. Das war meine erste und richtige Begegnung mit der Musik.

    Vom Musizieren zur Musikwissenschaft ist es aber schon noch ein Schritt. Den entscheidenden Anstoß dafür hat mir die Gelegenheit gegeben, ein Gitarren-Ensemble mit über 30 Studenten zu leiten. Dafür musste ich, statt selber zu spielen, eine Partitur einstudieren und über die Musik nachdenken. Der zweite Wendepunkt war die Begegnung mit Anton Bruckner. Als Student habe ich zu Hause in Tokio zufällig ein Konzert der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Günter Wand live im Fernsehen verfolgt. Auf dem Programm stand die Neunte Symphonie von Bruckner. Diese Symphonie hat mich tief begeistert und zugleich schockiert, weil sie so anders war als alles, was ich mir unter Musik vorgestellt hatte. Nach diesem Erlebnis habe ich mich sofort entschlossen, als Musikwissenschaftler diesen Komponisten zu erforschen. Ich dachte mir einfach: „Es muss sein!“, um mit Beethoven zu sprechen. Nach meinem Geschichtsstudium habe ich deshalb das Studium der Musikwissenschaft angefangen.

    Für welche Art von Musik interessieren Sie sich besonders? In den ersten fünf Jahren meines Studiums habe ich mich intensiv mit Bruckners Symphonien beschäftigt. Seit nunmehr zehn Jahren steht aber Haydn im Zentrum meines Forschungsinteresses. Mich faszinieren natürlich die beiden österreichischen Komponisten, aber nicht nur: Mir gefallen auch Chormusik der Renaissance-Zeit, Musik des 20. Jahrhunderts, afrikanische Volkstänze, Jazzmusik und vieles andere mehr.

    Sehen sie kulturelle Unterschiede in der Musikrezeption und –darbietung zwischen Japan und Deutschland? Das ist wirklich schwer zu beantworten. Soweit ich merke, gibt es keinen entscheidenden Unterschied zwischen Deutschland und Japan. Genauso wie in Deutschland gibt es in Japan viele Leute, die ein Ohr für Musik haben, und täglich finden Konzerte aller Gattungen statt. Musik ist zweifellos ein wichtiger Bestandteil der modernen japanischen Kultur. Ich finde es allerdings schade, dass Musik in Japan stärker mit kommerziellen Interessen verbunden ist als in Deutschland. Musik wird oft nur zu diesem Zweck genützt und gespielt. In der Stadt kann ich schwer einen Ort finden, ohne ständig eine Arte von Hintergrundmusik hören zu müssen.

    Was hat Ihnen besonders gut in Würzburg gefallen? Alles was mit Frankenwein zu tun hat! Nicht nur der Wein an sich, Federweißer oder das Essen dazu, sondern auch Vinotheken, Weinberge und Weindörfer, die ich sehr gerne besucht habe. Für mich sind vor allem die Weinberge eng mit meiner Würzburger Zeit verbunden. Immer wenn ich wegen der Doktorarbeit in eine Sackgasse geraten war, habe ich alleine einen Spaziergang auf den Weinbergen hinter dem Hauptbahnhof gemacht, um frische Luft in meinen Körper und Geist aufzunehmen. Und in dieser absoluten Ruhe dort habe ich immer eine tiefe Freude empfunden, die mich zur Arbeit zurückbrachte. Seit vier Jahren wohne ich inzwischen wieder in Japan, und noch immer sehne ich mich nach der Weinkultur in Würzburg!

    Vielen Dank für das Gespräch.

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