Neues Kolleg: Mittelalter und Frühe Neuzeit
03.11.2011Mittelalter und Frühe Neuzeit sind ein Schwerpunkt der geisteswissenschaftlichen Forschung und Lehre an der Uni Würzburg. In einem Kolleg werden diese Fachdisziplinen nun gebündelt. Die beteiligten Wissenschaftler haben auch einen Master-Studiengang „Mittelalter und Frühe Neuzeit“ konzipiert.

Feierlich gegründet wird das Würzburger Kolleg „Mittelalter und Frühe Neuzeit“ am Montag, 7. November, um 18:15 Uhr im Toscanasaal der Residenz. Die neue Einrichtung bietet den Geisteswissenschaften der Uni Würzburg ein gemeinsames Dach: Darunter sollen sich alle Disziplinen, die an Themen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit interessiert sind, zusammenfinden und verstärkt miteinander kooperieren.
Die Initiative ging von der Philosophischen Fakultät I aus, und darum sind deren Fächer im Würzburger Kolleg besonders stark vertreten: Geschichte, Kunstgeschichte, Romanische Philologie, Ältere und Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Deutsche Sprachwissenschaft, Latinistik, Slavistik und Musikwissenschaft. Aus anderen Fakultäten kommen historisch ausgerichtete Fächer dazu: Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte, Rechtswissenschaft, Kirchengeschichte und Medizingeschichte. Mit vertreten ist auch das Martin-von-Wagner-Museum: Als Zentrale Einrichtung der Universität wird es nomineller Sitz des Kollegs sein.
Stadt Würzburg als Matrix des Kollegs
Die Epochen Mittelalter und Frühe Neuzeit umfassen einen Zeitraum von rund 1000 Jahren, sie reichen vom sechsten bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. In der Stadt Würzburg sind sie in schriftlichen, künstlerischen und architektonischen Zeugnissen derart präsent, dass Würzburg diesen Epochen seinen Rang als Kulturstadt überhaupt erst verdankt.
„Diese enge Wechselwirkung mit dem kulturellen Erbe der Stadt zeichnet das Würzburger Kolleg vor ähnlichen Verbünden anderer Universitäten aus“, wie die Professoren Damian Dombrowski (Kunstgeschichte) und Dorothea Klein (Germanistik) im Namen des Kollegs mitteilen. Mit der Fülle an schöpferisch Begabten, die in Würzburg gewirkt haben – von Walther von der Vogelweide bis Balthasar Neumann – bilde die Stadt selbst die Matrix, in die sich das Kolleg einbettet.
Stärken der Geisteswissenschaften
Dazu passt die inhaltliche Orientierung der Würzburger Geisteswissenschaften, die von Haus aus weniger theorielastig sind. So hat – um nur einige Beispiele zu nennen – die Edition von Texten des deutschen Mittelalters eine lange Tradition in der Älteren Deutschen Literaturwissenschaft. Am Institut für Philosophie wird zurzeit der Aristoteles-Kommentar des arabischen Philosophen Avicenna ediert, am Institut für Musikforschung ein Korpus der Musik des lateinischen Mittelalters erarbeitet, am Institut für Kunstgeschichte ein Katalog der mittelalterlichen Wandmalereien Thüringens erstellt. Der Lehrstuhl für Computerphilologie unterstützt das Editionswesen – und revolutioniert es zugleich mit digitalen Methoden.
„Dieses Bekenntnis zu den Quellen, diese Nähe zum Objekt, dieser Vorrang der Sach- vor der Diskursforschung: All das sind Würzburger Stärken, auf die sich das Kolleg besinnen will“, so Dombrowski und Klein.
Masterstudiengang ab Winter 2012/13
Das Kolleg bildet den institutionellen Rahmen für den neuen Masterstudiengang „Mittelalter und Frühe Neuzeit“, der ab dem Wintersemester 2012/13 studiert werden kann. Dabei sind die Studierenden von den Zwängen fachgebundener Masterstudiengänge weitgehend befreit: Sie können Lehrveranstaltungen aus allen beteiligten Fächern wählen, um sich ein abgerundetes Bild von diesen Epochen zu verschaffen, und dabei selbstständig Akzente setzen.
Forschungsergebnisse zugänglich machen
Profitieren werden die Studierenden von dem Kolleg auch in anderer Hinsicht – denn aus guter Forschung resultiert eine gute Lehre. Die Wissenschaftler wollen den Studierenden sowie der Öffentlichkeit ihre Forschungsergebnisse in einer breiten Palette von Veranstaltungen zugänglich machen. Gastvorträge, Ausstellungen und Tagungen wie das neulateinische Kolloquium „Neo-Latina“ werden in Zukunft zentral koordiniert. Der Mittelalter-Kreis etwa, der viele Jahre lang erfolgreich jedes Semester einen Workshop veranstaltet hat, geht geschlossen in dem Kolleg auf.
Im Kolleg werden auch Ringvorlesungen organisiert, im laufenden Wintersemester etwa zum Thema „Höllenfahrten“. Im Sommersemester 2012 soll es dann um „Die Erschaffung der Welt. Alte und neue Schöpfungsmythen“ gehen und im Wintersemester 2012/13 um die „Kulturstadt Würzburg: Kunst, Literatur und Wissenschaft in spätem Mittelalter und früher Neuzeit“.
Die Titel verraten einen Sinn fürs Große und Allgemeine – aber das ist es schließlich, was die Gesellschaft von den historischen Geisteswissenschaften erwartet: Dass sie die großen Zusammenhänge herstellen und dabei tief in die Vergangenheit blicken. Bei der Ringvorlesung können die Studierenden Punkte für ihr Studium sammeln. Ab dem kommenden Semester will das Kolleg zudem die Lehrveranstaltungen zu Themen aus Mittelalter und Früher Neuzeit in einem eigenen Vorlesungsverzeichnis zusammenführen.
Studierende und Doktoranden einbinden
Die Verzahnung von Forschung und Lehre zeigt sich auch in der Kooperation mit der Graduiertenschule für die Geisteswissenschaften. Damit wird die Doktorandenausbildung in das Kolleg integriert, in das auch die Studierenden von Anfang an einbezogen werden sollen. Die Museumsinitiative etwa bildet eine weitere Säule des Kollegs: Dieser Zusammenschluss von Studierenden stellt seit mehr als 20 Jahren die Schätze des Martin-von-Wagner-Museums kunstinteressierten Laien bei Führungen vor.
Die Neuere Abteilung des Museums, deren herausragende Werke die Zeit zwischen Spätmittelalter und Barock umspannen, bietet sozusagen das materielle Gegenstück zu den ideellen Interessen des Kollegs. Hier soll es in Zukunft eine regelmäßige Vortragsreihe zu ausgewählten Exponaten geben. Auch soll das Museum verstärkt in Dialog mit der Forschung treten.
Keimzelle für künftige Forschungsprojekte
Die Initiatoren haben sich vorgenommen, die benachbarten Fächer noch mehr als bisher miteinander ins Gespräch zu bringen. Diese Intensivierung des interdisziplinären Austauschs dient weiterreichenden Interessen: Das Kolleg versteht sich als Keimzelle für künftige gemeinsame Forschungsprojekte; auch Zusammenschlüsse in Form von Forschergruppen oder Graduiertenkollegs sind denkbar. Es soll eine effektive Vorstufe für Drittmittelanträge bilden, aber Forschungsvorhaben ohne Etat genauso achten und fördern.
Kurzum: Das Würzburger Kolleg soll zu einer Art geisteswissenschaftlichem „Think Tank“ der Universität werden – auch wenn es nicht über eine eigene finanzielle Ausstattung verfügt. Denn hierin sind sich die Initiatoren einig: „Die Leichtigkeit des Gebildes, das einen institutionellen Anspruch hat, aber ohne Regelungsmechanismen auskommt, verspricht eine erhöhte Gestaltungsfreiheit.“
Weitere Informationen über das Kolleg „Mittelalter und Frühe Neuzeit“ auf
www.mfn.uni-wuerzburg.de
Ansprechpartner
Prof. Dr. Damian Dombrowski, Institut für Kunstgeschichte,
T (0931) 31-85574, damian.dombrowski@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Franz Fuchs, Institut für Geschichte,
T (0931) 31-85520, franz.fuchs@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Joachim Hamm, Institut für Deutsche Philologie,
T (0931) 31-81679, joachim.hamm@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Dorothea Klein, Institut für Deutsche Philologie,
T (0931) 31-85610, dorothea.klein@germanistik.uni-wuerzburg.de