Genderforschung ist nicht ideologisch
18.12.2017Eine konzertierte Aktion zum Thema „Gender Studies“ haben Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an deutschen Hochschulen für den 18. Dezember ausgerufen. Das Genderforum der JMU ist dabei.
„Aufzeigen, wie plausibel, relevant, empirisch begründet, gesellschaftlich aufklärend und – vor allem – wissenschaftlich exzellent Gender Studies sind“: Das ist das Ziel einer konzertierten Aktion, zu der die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V. (bukof) für den 18. Dezember aufgerufen hat.
Aufruf zur Debatte
Die beteiligten Einrichtungen wollen dabei auf vielfältige Weise klar machen, dass Gender Studies wichtiger Teil kritischer Wissenschaft sind und der Gender-Begriff in Forschung und Politik an realen, empirischen Phänomenen und Problemen ansetzt. Mit ihrem Beitrag wollen sie in die „derzeit öffentlich beziehungsweise medial geführte Debatte um die Gender Studies“ eingreifen – eine Debatte, in der oft behauptet wird, Gender Studies seien keine objektive Wissenschaft, sondern ideologisch motiviert.
„Das ist komplett falsch. Genderforschung arbeitet mit den gleichen wissenschaftlichen Methoden, wie sie auch in anderen Fachgebieten zum Einsatz kommen“, widerspricht Marie-Christine Dabauvalle, seit vielen Jahren Frauenbeauftragte der Universität Würzburg, dieser Behauptung. Dementsprechend handele es sich um seriöse Wissenschaft mit hoher Bedeutung für die Gesellschaft.
Gender in Forschung und Lehre
Genderaspekte in Forschung und Lehre stärken: Diese Aufgabe verfolgt seit gut einem Jahr das Genderforum der Uni Würzburg. „Hier kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Fakultäten zusammen und arbeiten auf verschiedenen Gebieten interdisziplinär zusammen“, sagt Marie-Christine Dabauvalle. Das Genderforum bilde den Rahmen für ein Netzwerk von Menschen, die sich sonst möglicherweise nicht treffen würden – beispielsweise aus der Biologie, aus Medizin, aus Humanwissenschaften, aus der Theologie und der Mathematik.
Die Bandbreite der Themen, die in der Genderforschung an der Universität Würzburg bearbeitet werden, spiegelt sich in der Vortragsreihe wider, die das Genderforum organisiert hat. Sie beginnt bei einer speziellen Variante der Muskeldystrophie, die unterschiedliche Therapieansätze erfordert, je nachdem, ob ein Mann oder eine Frau davon betroffen ist. Sie geht weiter mit der Rolle von Frauen im Militär der griechisch-römischen Antike. Und sie endet natürlich noch nicht bei der Frage nach dem Verhältnis von Frauen und Rechtspopulismus.
Anstoß für neue Forschungsprojekte
Das Genderforum will auch Anstoß zu weiteren Forschungsprojekten geben: „Wir haben eine Arbeitsgruppe gegründet, die nach Finanzierungsmöglichkeiten für neue Projekte sucht“, erklärt Marie-Christine Dabauvalle. Im Team neue Ideen entwickeln, gemeinsam Anträge stellen und dann interdisziplinär Genderthemen bearbeiten, ist ebenfalls Ziel dieser Gruppe. Als Einzelkämpfer käme man schließlich nicht weiter.
Auf Forschung allein wollen sich die Mitglieder des Genderforums allerdings nicht beschränken. „Gender Studies müssen auch selbstverständlicher Teil der Lehre sein“, sagt Marie-Christine Dabauvalle. Dabei kommt es ihr vor allem auf zwei Aspekte an: „Als Dozentin muss ich mir überlegen, wie ich den Stoff sowohl Studenten als auch Studentinnen verständlich präsentiere“, sagt die Wissenschaftlerin, die als Professorin in der Elektronenmikroskopie forscht und lehrt. Ihre Erfahrung habe ihr gezeigt, dass es bisweilen deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen gebe, wenn es beispielsweise darum geht, sprachliche Analogien und Beispiele zu verstehen.
Und der zweite Aspekt: „Wir müssen die Studierenden für dieses Thema sensibilisieren“, so die Frauenbeauftragte. Und zwar nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer: „Die Männer müssen das auch wollen. Ohne sie wird es schwer mit der Gleichberechtigung“. Das gelte sowohl in Bezug auf Ehe und Familie, aber eben auch im Berufsleben.
Die Studierenden zu erreichen: Darauf zielt auch das nächste große Projekt ab, das von den Mitgliedern des Genderforums organisiert wird: eine Summer School 2018. Dort können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fünf Tage lang Vorträge zu verschiedenen Aspekten der Genderforschung hören und in Workshops die Themen vertiefen.
Genderprofessur als Fernziel
Für Marie-Christine Dabauvalle markiert die Summer School einen wichtigen Schritt hin zur dauerhaften Verankerung des Themas „Gender“ in den Strukturen der Universität. Geht es nach ihren Vorstellungen, folgen als nächstes ein Gender-Forschungszentrum und dann eine Gastprofessur auf diesem Gebiet, die durch die Fakultäten wandert. Ob sie das noch in ihrer Zeit als Frauenbeauftragte an der Uni erlebt? Wer weiß. Unwahrscheinlich sei es nicht, sagt sie. Schließlich habe sich in den vergangenen Jahren, seit sie Frauenbeauftragte ist, „spürbar etwas verändert“.
Kontakt
Prof. Dr. Marie-Christine Dabauvalle, T: (0931) 31 -88055, genderforum@uni-wuerzburg.de