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    Delfintherapie kann helfen

    10.11.2006

    Seit sieben Jahren bietet das Nürnberger Delfinarium eine Delfintherapie für schwerbehinderte Kinder an. Erwin Breitenbach vom Institut für Sonderpädagogik der Universität Würzburg hat das Projekt von Anfang an wissenschaftlich begleitet. Sein Fazit nach dieser Zeit: Die Therapie wirkt. Eltern und Kinder können danach besser miteinander kommunizieren.

    Die Begegnung mit Delfinen kann behinderten Kindern helfen, besser mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. (Foto Delfinarium Nürnberg)

    Schwerbehinderte Kinder haben oft Probleme damit, Kontakt zu ihren Eltern, Geschwistern oder Bekannten aufzunehmen. Auch für Eltern ist es nicht immer leicht, die Signale ihrer Kinder richtig zu deuten. Diese Kommunikationsbarriere zumindest ein Stück weit zu beseitigen, ist das Ziel einer Therapie, die das Nürnberger Delfinarium anbietet.

    Eine Woche lang reisen die Familien dafür nach Nürnberg. Der Aufenthalt fernab von zu Hause soll einen Erholungs- und Entspannungseffekt mit sich bringen; zusätzlich werden alle Familienmitglieder durch Einzel- und Gruppengespräche in den therapeutischen Prozess einbezogen und sozialpädagogisch betreut.

    Kernstück der Therapie ist allerdings die Begegnung der behinderten Kinder mit den Delfinen. Nach und nach nähern sie sich den Tieren, bis sie am Ende mit ihnen spielen, sie füttern und streicheln. Immer dabei sind der Delfin-Trainer und ein ausgebildeter Therapeut.

    Was sich ein wenig anhört, wie ein Familienurlaub mit einem Schuss Abenteuer, ist jedoch nachweisbar mehr: „Bei den Kindern ist eindeutig eine positive Verhaltensänderung nachweisbar“, sagt Erwin Breitenbach. Vor zehn Jahren haben der Sonderpädagoge und sein Team die Idee der Delfintherapie an den Nürnberger Tiergarten herangetragen. Seit sieben Jahren untersuchen die Wissenschaftler die Wirksamkeit der Therapie; rund 50 Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren haben in dieser Zeit den Sprung ins Wasserbecken gewagt.

    Jetzt hat Breitenbach eine erste Zusammenfassung seiner Ergebnisse präsentiert. Sein Fazit: Die untersuchten Kinder hätten nach einer Therapiewoche mehr gesprochen und Sprache besser verstanden, seien mutiger, aktiver und selbstbewusster geworden. Und die Verbesserungen seien bis mindestens ein halbes Jahr nach der Therapie stabil geblieben.

    Die Erklärung dafür findet Breitenbach im Zusammenspiel zwischen Eltern und Kinder: Autistische und geistig behinderte Kinder reagieren in der Regel nur schwach auf Reize aus ihrer Umgebung. Bei den Eltern führe dies häufig dazu, dass sie immer stärkere Impulse geben würden – und die Kinder in der Folge immer schwächer reagieren. Oder es passiert das Gegenteil: „Eltern resignieren und kümmern sich weniger intensiv um ihre Kinder.“

    Ein zusätzliches Problem: Eltern trauen ihren behinderten Kindern häufig nur wenig zu. Deshalb verfolgt die Therapie auch das Ziel, den Eltern das verloren gegangene Vertrauen wenigstens zum Teil wieder zurück zu geben. Und das könne alleine dadurch passieren, dass Eltern erleben, mit welchem Mut ihr Sohn oder ihre Tochter auf ein so großes Tier wie den Delfin zugeht. Die Kinder hingegen erleben sich als eigenständiger Gestalter ihrer Umwelt, wenn sie spüren, wie der Delfin auf sie reagiert. „Sie werden aufgeschlossener und gehen aktiver auf andere Menschen zu“, sagt Breitenbach.

    Den Einwand, dass möglicherweise gar nicht der Kontakt zu den Delfinen, sondern vielmehr das Weg-von-zuhause und die sozialpädagogische Betreuung für den Erfolg verantwortlich sein könnten, sieht Breitenbach durch seine Untersuchungen entkräftet. „Auch ohne das Herstellen einer Urlaubsatmosphäre und ohne sozialpädagogische Betreuung der Eltern konnten beachtliche Erfolge erzielt werden“, sagt er. Diese beiden Bausteine seien deshalb „zumindest in der im Forschungsprojekt angebotenen Form nicht so wirksam wie vermutet.“

    Breitenbach sieht durch seine Untersuchung klar bestätigt: „Die Delfintherapie kann sich wirklich Therapie nennen. Viele andere Behandlungsansätze wären froh, wenn sie ähnliche Effekte nachweisen könnten.“ Allerdings fügt er warnend hinzu, dass die Delphintherapie kein Allheilmittel, sondern „eine sinnvolle Ergänzung zu langfristig angelegten Maßnahmen wie Krankengymnastik, Logopädie oder Ergotherapie“ sei.

    Weil es rund um die Wirksamkeit der Delfintherapie immer noch viele offene Fragen gebe, will Breitenbach das Projekt auch in Zukunft wissenschaftlich begleiten.

     
    Ansprechpartner: PD Dr. Erwin Breitenbach, T. (0931) 888-4832, E-Mail: spa1020@mail.uni-wuerzburg.de

    Von Gunnar Bartsch

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