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  • 6 Studierende geniessen das Studentenleben in Würzburg im Sommer.
  • Drei Studierende tragen T-Shirts mit einem Aufdruck der Universität Würzburg.

Erfahrung mit Nachwirkung

17.07.2018

Alljährlich im Sommer treffen sich Nobelpreisträger und Nachwuchswissenschaftler auf einer einwöchigen Tagung in Lindau am Bodensee. Diesmal waren zwei Würzburger Medizinerinnen auf Vorschlag der Uni mit dabei.

Würzburger Teilnehmer des Nobelpreisträgertreffens in Lindau
Würzburger Teilnehmer des Nobelpreisträgertreffens in Lindau inklusive einiger Preisträger. 2. von links ist Luise Appeltshauser, neben ihr steht Carmina Teresa Fuß. (Foto: Arunima Roy)

39 Nobelpreisträger, 600 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, 84 Herkunftsländer und sechs Tage voller Gespräche und Diskussionen über Forschung und Gesellschaft: Das sind die Eckdaten der 68. Lindauer Nobelpreisträgertagung, die vom 24. bis 29. Juni in Lindau stattgefunden hat. Mit dabei waren in diesem Jahr auf offiziellen Vorschlag der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) zwei junge Nachwuchswissenschaftlerinnen aus der Medizin: Luise Appeltshauser und Carmina Teresa Fuß.

Eine „einzigartige Erfahrung und ein einmaliges Erlebnis“ seien die Tage am Bodensee gewesen, berichten die beiden Nachwuchswissenschaftlerinnen kurz nach ihrer Rückkehr. Angesichts des vollen Programms seien sie immer noch damit beschäftigt, die Eindrücke zu verarbeiten und nachwirken zu lassen. Forschung in Physiologie und Medizin standen in diesem Jahr im Fokus der Tagung. Dazu passend hat Luise Appeltshauser Medizin und experimentelle Medizin an der JMU studiert; derzeit arbeitet sie als Assistenzärztin an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW. Carmina Teresa Fuß hat ihr Studium der Humanmedizin ebenfalls an der JMU absolviert und ist aktuell als Assistenzärztin auf dem Gebiet der Endokrinologie tätig.

Volles Programm (fast) rund um die Uhr

Wer Entspannung sucht, ist auf dem Nobelpreisträgertreffen definitiv am falschen Platz. Der Tag beginnt um 7 Uhr mit einem Frühstück, bei dem sich die erste Gelegenheit bietet, mit den hochdekorierten Forscherinnen und Forschern ins Gespräch zu kommen. Dann folgen Posterpräsentationen, Master-Klassen und Science Walks – also Spaziergänge, bei denen sich „Nobelpreisträger und Nachwuchswissenschaftler durch die schöne Landschaft des Bodensees inspirieren lassen“, wie es in einer Pressemitteilung des Organisationskomitees heißt. Im Rahmen von Laureate Lunches treffen sich jeweils zehn angehende Wissenschaftler mit einem Nobelpreisträger – zum Essen und Austauschen; bei sogenannten Agora Talks stellen sich die Laureaten den Fragen der Zuhörer. Schluss ist erst tief in der Nacht.

Die Begegnungen mit einer Nobelpreisträgerin und einem Preisträger hatten es den beiden Würzburger Medizinerinnen besonders angetan: Ada E. Yonath (79), Strukturbiologin aus Israel, die im Jahr 2009 den Nobelpreis für Chemie für ihre Studien zur Struktur und Funktion des Ribosoms erhalten hat, sowie Peter Agre, (69), US-amerikanischer Mediziner und Molekularbiologe, der ebenfalls mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde – im Jahr 2003 für die Erforschung von Kanälen in Zellmembranen.

Faszination für ein Thema als Triebkraft

„Die beiden besitzen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten“, sagt Luise Appeltshauser. Während Peter Agre immer sehr bescheiden und zurückhaltend aufgetreten sei, habe sich Ada Yonath als Powerfrau präsentiert. Und während Agre die Nachwuchswissenschaftler dazu aufgefordert habe, ihre Mitarbeiter immer nett zu behandeln, lautete Yonaths Motto: „Fight for your ideas!“, ergänzt Carmina Teresa Fuß. Trotz dieser Unterschiede gebe es allerdings eine Gemeinsamkeit, die alle Nobelpreisträger teilen: „Von ihnen hat niemand auf den Nobelpreis spekuliert. Alle waren allein von ihrem Thema fasziniert. Ihr Ziel war es zu verstehen, wie bestimmte Dinge funktionieren“, so die beiden Medizinerinnen.

Klar: Ihre jeweiligen Forschungsgebiete – Luise Appeltshauser untersucht die Auslöser bestimmter Nervenleiden, Carmina Teresa Fuß beschäftigt sich mit Erkrankungen der Nebenniere – spielten auf dem Lindauer Treffen keine Rolle. Aber das sei auch mal ganz schön gewesen. „Man konnte seinen Horizont erweitern, neue Themen entdecken und sich überlegen, wie sich bestimmte Erkenntnisse aus anderen Gebieten auf die eigene Arbeit übertragen lassen“, sagt Luise Appeltshauser. Dieser Aspekt hat auch Carmina Teresa Fuß gefallen: „Dafür hat man sonst eigentlich nicht die Zeit“, sagt sie. Deshalb habe sie den Austausch über Fachgebiete hinweg als „sehr bereichernd und inspirierend“ empfunden.

Ein großes Netzwerk verknüpft die Teilnehmer

Und wer weiß schon heute, was die Vielzahl an neuen Kontakten, die sich auf solch einem Treffen ergeben, in Zukunft mit sich bringen. „Man spricht mit jemandem, der kennt jemand anderen, und so lernt man schnell viele interessante Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennen“, schildert Luise Appeltshauser eine in Lindau übliche Variante des Netzwerkens. Außerdem stünden sämtliche Teilnehmer aller Nobelpreisträgertagungen inzwischen dank einer App – zumindest theoretisch – miteinander in Kontakt. Eine gewaltige Quelle potenzieller Kollaborationen.

Haben die beiden jetzt „Blut geleckt“ und werden ab sofort den erfolgreichen Vorbildern nacheifern? Wohl nicht im gleichen Maß wie potenzielle oder tatsächliche Nobelpreisträger. 20 Jahre lang im Labor zu stehen und Fragen aus dem Bereich der Grundlagenforschung nachzugehen: Das schwebe ihnen nicht vor. Dazu schätzen sie die Verbindung aus Kontakt mit Patienten und Arbeit im Labor zu sehr, die ihnen ihre jetzige Arbeit bietet. „Der Kontakt zum Patienten liefert ein direktes Feedback. Man erhält am Ende des Tages eine Rückmeldung“, sagt Luise Appeltshauser. Und Carmina Teresa Fuß ergänzt: „Das Wesen der Arbeit als forschende Ärztin in der Klinik zeigt sich in der Verbindung von Forschung und Klinik. Die Arbeit auf der Station erinnert einen immer wieder daran, wofür man im Labor steht.“

Die 68. Lindauer Nobelpreisträgertagung

Wissenschaftliche Beweise als Antwort auf Fake News – unter diesem Leitgedanken stand die Eröffnung der 68. Lindauer Nobelpreisträgertagung am 24. Juni. Das diesjährige Treffen war der Physiologie und Medizin gewidmet und befasste sich schwerpunktmäßig mit der Rolle der Wissenschaft in einem „postfaktischen“ Zeitalter, der Forschung zur inneren Uhr, der Gentechnik sowie der wissenschaftlichen Publikationspraxis. Als Medizintagung stellte es gleich zwei Rekorde auf: Noch nie hatten so viele Nobelpreisträger teilgenommen, und noch nie war das Teilnehmerfeld mit 84 Herkunftsländern so vielfältig gewesen.

Neun Nobelpreisträger haben 2018 zum ersten Mal an der Lindauer Tagung teilgenommen, darunter die zuletzt gekürten Medizinpreisträger Michael Rosbash und Michael Young, die für ihre Forschung zur inneren Uhr ausgezeichnet wurden.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1951 haben sich die Lindauer Nobelpreisträgertagungen zu einem weltweit einzigartigen Forum für den internationalen Austausch von Wissenschaftlern entwickelt.

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Von Gunnar Bartsch

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